Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade
angeheiterten Festgäste zu bedienen. Gertrudis' unerwartete Ankunft erregte auf dem Fest aller Aufmerksamkeit. Sie fuhr in einem Ford-T-Coupé vor, einem der ersten Wagen mit Gangschaltung. Beim Aussteigen wäre ihr beinahe der überdimensionale, breitkrempige, mit Straußenfedern geschmückte Hut vom Kopf gerutscht. Ihr aufreizendes Kleid mit gepolsterten Schultern war der letzte Schrei. Juan stand ihr in nichts nach. Er trug einen eleganten, auf Figur geschnittenen Anzug, Chapeau Claque und Gamaschen. Ihr ältester Sohn hatte sich zu einem bildhübschen Mulatten entwickelt. Seine Gesichtszüge waren auffallend edel, und sein dunkler Hautton ließ die leuchtend blauen Augen durch den Kontrast besonders zur Geltung kommen. Die Hautfarbe hatte er von seinem Großvater geerbt und die blauen Augen von Mama Elena. Ja, er hatte dieselben Augen wie die Großmutter. Hinter ihnen tauchte der Sergeant Treviño auf, der seit dem Ende der Revolution als Gertrudis' persönlicher Leibwächter angestellt war.
Am Eingang zur Farm empfingen Nicolás und Rosalío die unablässig eintreffenden Gäste in festlicher Reitertracht und nahmen die Einladungen entgegen. Es handelte sich um wunderschöne Einladungskarten. Alex und Esperanza hatten sie eigens entworfen. Das Papier, die schwarze Tinte für den handgeschriebenen Text, der Goldrand der Umschläge und der Siegellack, den sie selbst abgestempelt hatten, waren ihr ganzer Stolz. Alles war in der traditionellen Weise und auf der Basis alter Familienrezepte hergestellt worden. Nur die schwarze Tinte mußte nicht mehr neu zusammengemixt werden, da noch genügend von Pedros und Rosauras Hochzeit übrig war. Zwar war sie inzwischen eingetrocknet, doch genügte ein wenig Wasser, und sie wurde wieder wie neu. Sie wird hergestellt, indem man 8 Unzen Gummiarabicum, 51/2 Unzen Galläpfel, 4 Unzen Eisensulfat, 2 1/2 Unzen Kampescheholz und 1/2 Unze Kupfersulfat miteinander vermischt. Die Goldtinte für die Verzierung der Umschlagränder entsteht aus einer Unze Auripigment und derselben Menge fein gemahlenen Bergkristalls. Diese Pulver werden mit fünf oder sechs Eiweiß gut verschlagen, bis sie sich ganz aufgelöst haben. Den Siegellack wiederum erhält man durch Schmelzen von einem Pfund Lackgummi, einem halben Pfund Benzoeharz, einem halben Pfund Teer und einem ganzen Pfund Zinnober.
Sobald es flüssig wird, gießt man alles auf den zuvor mit Süß-Mandeln-Öl eingeriebenen Tisch und formt die Stöcke, bevor der Siegellack erkaltet.
Esperanza und Alex hatten ganze Nachmittage mit der akribischen Befolgung dieser Rezepte zugebracht und die hübschen Hochzeitskarten angefertigt, mit glänzendem Erfolg. Jede einzelne stellte ein Kunstwerk dar. Leider geriet diese Art künstlerischer Fertigkeiten allmählich aus der Mode, ebenso wie lange Kleider, Liebesbriefe oder der Walzer. Doch für Tita und Pedro würde der Walzer »Augen der Jugend«, den das Orchester soeben auf Pedros ausdrücklichen Wunsch hin anstimmte, niemals veraltet sein. Leichtfüßig glitten sie gemeinsam über die Tanzfläche. Tita sah hinreißend aus. Die zweiundzwanzig Jahre, die seit Pedros und Rosauras Hochzeit vergangen waren, schienen fast spurlos an ihr vorübergegangen zu sein. Mit ihren neununddreißig Jahren wirkte sie immer noch knackig frisch wie ein eben gepflückter Apfel.
Johns Augen, die ihnen beim Tanzen folgten, ließen Zärtlichkeit mit einem Anflug von Resignation erkennen. Liebevoll sanft rieb sich Pedros Wange an Titas, und diese spürte Pedros Hände auf ihrer Taille glühen wie nie zuvor.
»Erinnerst du dich noch, wie wir dieses Stück zum ersten Mal hörten?«
»Wie könnte ich das je vergessen.«
»In jener Nacht fand ich keinen Schlaf bei dem Gedanken, so bald um deine Hand anzuhalten. Ich konnte ja nicht ahnen, daß ich 22 Jahre verstreichen lassen müßte, um dir erneut die Frage zu stellen, ob du meine Frau werden willst.«
»Meinst du das im Ernst?«
»Natürlich! Ich will doch nicht sterben, ohne das noch zu erleben. Immer habe ich davon geträumt, mit dir eine über und über mit weißen Blumen geschmückte Kirche zu betreten und mitten unter ihnen du als die schönste.«
»In Weiß?«
»Aber wieso denn nicht? Jetzt hindert dich doch nichts mehr daran. Und weißt du was? Wenn wir endlich verheiratet sind, will ich auch einen Sohn von dir. Noch ist es nicht zu spät, was meinst du? Jetzt, wo Esperanza uns verläßt, brauchen wir Gesellschaft.«
Tita verschlug es schier die Sprache. Ein
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