Essen mit Freunden - Roman
vereinzelt erklang das sanfte Klirren eines Glases, das vorsichtige Schaben von Silberbesteck auf Porzellan.
Markus deutete zur Tür.
Sie schüttelte den Kopf und sah ihn fragend an. »Ich höre nichts.«
»Eben. Genau das ist für mich immer der schönste Moment beim Kochen: Alle sind zufrieden und essen schweigend. Nichts ist zu hören, nur behagliche Stille.«
Luise schaute in seine Augen, doch sie fand dort keine Ironie. Und nach diesem Tag stellte sie erschreckt fest, dass auch die letzte Skepsis in ihr, die ihn immer als Blender abtun wollte, verschwunden war. Markus hatte sich in den Schubladen verkeilt, in die sie ihn bisher eingeordnet hatte, und sie musste ihn umsortieren, weil er nicht mehr hineinpasste. Er stand neben ihr und versuchte, ihren Blick zu halten. Seine Augen leuchteten so klar wie die eines Kindes. Er sah müde aus. Müde, aber glücklich. Sein Haar, das ihm sonst locker ins Gesicht fiel, klebte an der Stirn, kleine SchweiÃtropfen hingen im Bartschatten über seiner Oberlippe. Er muss jetzt sicher salzig schmecken, dachte Luise, dann wandte sie sich rasch ab, um sich auf das Aufräumen zu konzentrieren. Nicht weiterdenken. Die Hände beschäftigen. Sie war einfach nur überdreht. Zu früh aufgestanden, zu wenig gegessen und zu viel gearbeitet.
»Dafür habe ich dich die ganze Zeit bewundert«, sagte er, ohne sich von der Stelle zu rühren.
Sie schloss die Augen, doch er lieà sich nicht ausblenden. Seine Anwesenheit blieb ihr fast schmerzlich bewusst.
»Ich meine es ernst«, sagte er. »Du hast die ganze Zeit gedacht, dass ich mich über dich lustig mache, oder? Dass ich deinen Job will, weil ich glaube, ich sei besser als du. Aber das stimmt nicht.«
»Was stimmt dann?«, fragte Luise.
»Ich kann kochen. Ja. Zumindest ein bisschen. Du aber wirfst deine Leidenschaft in den Topf, deine Liebe. Das schmeckt man mit jedem Löffel. Ich schmecke es. Und das hätte ich dir gern schon viel früher gesagt, nur hast du mir keine Chance dazu gegeben.«
Luise wusste nicht, was sie erwidern sollte. Das war seit langem das Schönste, was sie gehört hatte. Sie standen da, Auge in Auge, und gern wäre sie einen Schritt auf ihn zugegangen. Und noch einen Schritt. Doch sie floh vor zu viel Gefühl. »Die Tarte«, sagte sie. Der letzte Gang stand noch aus.
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»Es war wunderbar!«, sagte Doktor Kahle, der nach dem Dessert kurz in die Küche schaute. »Ich bin so froh, Frau Blum, dass wir uns getroffen haben. Sie sind mit Abstand das Beste, was Text-Berg zu bieten hatte.« Er gab ihr die Hand und sagte leise: »Meine Frau ist so glücklich, wie ich sie lange nicht gesehen habe. Sie meinte, es wäre einer der schönsten Tage, die wir miteinander verbracht haben. Ich danke Ihnen.« Dann straffte er die Schultern und atmete durch. »Nun geht es zum offiziellen Teil, und dann verschwinden wir ins Konzert. Wie gesagt: Nicht groà abwaschen, nicht aufräumen. Unsere Sonja ist in einer halben Stunde da.« Er nickte den beiden zu und kehrte zu seinen Gästen zurück, die bereits im Garten auf die Zeremonie warteten.
Luise und Markus standen am Küchenfenster und blickten hinaus. »Glaubst du daran?«, fragte er und deutete mit dem Kopf zum Zen-Garten, wo sich Doktor Kahle und seine Gattin erneut das Ja-Wort gaben.
»Ich an ihrer Stelle würde mich vor weiteren Klippen fürchten«, gestand sie. »Und du?«
Markus zuckte mit den Schultern. »Bei ihm bin ich mir nicht sicher. Für mich kann ich nur sagen: Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass man Klippen nur vermeiden kann, wenn man eine Sache abschlieÃt, bevor man sich in die nächste stürzt.«
»Und London?«, fragte sie.
Er sah sie an und runzelte die Stirn. »Was meinst du?«
»Die Freundin. Die Praktikantin.«
»Die Praktikantin war tatsächlich nur eine Praktikantin. Nicht mehr. Und meine perfekte Freundin hatte, wie ich später erfahren habe, schon längst ein Auge auf jemand anderen geworfen, der pubgeeigneter war als ich. Die Unterstellung mit der Praktikantin war für sie eine gute Möglichkeit gewesen, mich loszuwerden.« Er schob mit der Hand ein paar Zwiebelschalen zusammen, die noch auf der Arbeitsplatte lagen. »Aber es hat doch auch etwas Gutes: Du hast eine Küchenmaschine auf Leihbasis bekommen, und ich weià nun, wie man Diplomatensauce macht.« Von
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