Essen mit Freunden - Roman
deine Küche, Luise, sondern die von Doktor Kahle. Und es ist nur für ein paar Stunden.«
»Du weiÃt, wie's mir mit ihm geht.«
»Aber er kann kochen. Und du brauchst jemanden, der kochen kann.«
»Ich habe ihm an den Kopf geschmissen, dass ich gut allein klarkomme. Und nun soll ich ihm sagen, dass ich ihn brauche? Niemals!«
»Du sollst ihn nicht heiraten, Luise, du sollst nur mit ihm kochen.«
Luise schwieg. Die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf durcheinander.
»Ich gebe dir seine Nummer. Die habe ich seit deinem Geburtstag. Schreib sie auf, und dann mach, was du willst.«
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Luise überlegte eine halbe Stunde, ob sie ihn fragen sollte. Eine weitere halbe Stunde, um sich zwischen SMS und Anruf zu entscheiden. Und dann noch mal eine Weile, bis sie schlieÃlich allen Mut zusammennahm und seine Nummer wählte. Er nannte seinen Namen und schwieg, nachdem sie ihren genannt hatte. Sie sah auf die Uhr. Kurz nach elf. Mitten in der Nacht.
»Ich hoffe, es ist nicht zu spät«, sagte sie schnell.
Weiter Schweigen am anderen Ende. SchlieÃlich fragte er: »Zu spät wofür?«
Luise wusste, dass er alles Recht der Welt hatte, sie auflaufen zu lassen. Die Entschuldigung war das Zweitschlimmste an dem Gespräch. Stockend begann sie, doch als sie ihr Bedauern über ihr Verhalten auf Lillys Feier erst einmal in aller Form hinter sich gebracht hatte, wurden ihre Worte flüssiger. Er hatte nicht aufgelegt, hörte immer noch zu. Das schien ein gutes Zeichen. Als ihre Wortfontäne schlieÃlich versiegte, fragte er: »Was genau willst du jetzt von mir?«
»Deine Hilfe bei dem Auftrag.«
»Als was?«
Sie holte tief Luft, damit sie aussprechen konnte, was ihr am schwersten fiel: »Ich schaffe das nicht allein, und ich brauche jemanden, der wirklich gut ist. Ich will, dass wir zusammen kochen.«
Er schwieg. Lange.
»Markus?«, fragte sie unsicher.
»Ich brauche Bedenkzeit«, sagte er. »Ich melde mich. Gute Nacht.« Mit diesen Worten legte er auf.
Zum Frühstück kam seine SMS : »Gut. Weil du es bist. M.«
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Abgemacht war, dass Markus sie gegen halb eins mit dem Auto abholen würde. Luise stand bereits mit sämtlichen Kisten und Boxen auf der StraÃe, als er pünktlich um die Ecke bog.
»Das sieht ja fast wie ein Umzug aus«, sagte er zur BegrüÃung, öffnete den Kofferraum und half ihr beim Einräumen.
Sie bedankte sich und stieg ein.
Schweigen, die halbe Fahrt Schweigen, bis er fragte: »Auf was genau lasse ich mich eigentlich gerade ein?«
Luise repetierte wie ein Gedicht: »Neugierige Belon-Auster auf Eishügel. Steinpilzessenz mit Blätterteighäubchen. Sautierte Wachtelbrüstchen mit Diplomatensauce und Schweizer Nüdeli. Seezungenfilet mit Avocadosauce und Zucchinichips. Sellerie-Rosmarin-Sorbet. Rinderfilet Rossini mit Gänsestopfleber, schwarzen Trüffeln, Madeirajus, Prinzessböhnchen und Herzoginkartoffeln. Als Dessert gibt es Tarte au citron meringuée.«
»Hat er was gutzumachen?«
Luise verdrehte die Augen. »Diese Frage ist typisch Mann!«
Sie sahen sich an und begannen zu lachen.
»Also hat er«, stellte Markus fest.
»Er nannte es: ein paar Klippen in letzter Zeit«, sagte sie.
»Zu Klippen passen Austern gut«, meinte er.
Die Stimmung entspannte sich, und Luise merkte, wie sich ihre Aufregung langsam löste.
Doktor Kahle empfing sie mit sommerlich gebräuntem Lächeln und führte sie in die Küche. »Meine Frau ahnt noch nichts. Sie ist jetzt mit ihrer besten Freundin im Spa. Die allerdings ist eingeweiht. Ich hole die beiden nachher ab.« Seine Nervosität war spürbar. Er zeigte ihnen das Esszimmer. Es war ein groÃer, lichtdurchfluteter Raum, dezente Kunst an der Wand, weiÃe Vorhänge, Glasfront, dahinter die Terrasse und der Blick in einen gepflegten Garten. Die Servietten lagen bereit. Helles Leinen mit Hohlsaum. Glasflaschen in unterschiedlichen Blautönen standen auf dem langen Holztisch, um den die sechzehn Stühle formiert waren. Kühlmöglichkeiten für die Lebensmittel gab es in einer Kammer neben der Küche. Doktor Kahle hatte recht gehabt: Der Haushalt war wirklich professionell ausgestattet, sogar mit einem sechsflammigen Herd. »Ich hoffe, Sie kommen klar. Ich muss noch mal in die Stadt wegen der Blumen. Sie können mich aber jederzeit mobil erreichen.« Er nickte
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