Esti (German Edition)
würden sie sich (menschlich) unterhalten, doch niemals unterhielten, niemals. Es gab nichts, worüber.
Dieses »nichts« und das Bewegen waren Estis Leben – in einer Zeit.
Wieder ein Hund
E s ist mir ein Pleschör, dass Sie zum flüchtigen Tee an diesem Nachmittag gekommen sind, muss man auf Portugiesisch so sagen: Es ist das große flüchtige Geschenk meines Lebens, dass ich mich im Laufe dieses einsamen Nachmittags mit Ihnen treffen konnte. Weniger zu sagen wäre ungehobelt. Doch die Baroness wusste nicht, dass sich Esti in der Sprache der Blumen derart auskannte, deshalb war nach dem Tee die Sonne noch nicht einmal untergegangen, schon hatte sie sich bis über beide Ohren verliebt. Esti konnte nicht vermuten, dass jemand bei ihm die sprachliche Versiertheit nicht vermutete.
Als sich dieses Missverständnis Jahrzehnte später aufklärte, war es schon zu spät. Wenn du dich jetzt erdreistest zu sagen, die Baroness hob die Stimme – in letzter Zeit konnte sie ruhig die Stimme heben, konnte ohne Erregung und Wut brüllen, und es gab wenig Dinge, die furchterregender waren als das –, wenn du die Frechheit besitzt, Hase, jetzt zu sagen, dieses »spät« sei dein Leben, dann erschieße ich dich wie einen Hund.
Dieser Hund ist Estis Leben.
Hörübung
E sti hört: Umarmen Sie mich nur, Kornéllein, umarmen Sie mich … So ist’s gut, er hat einen kleinen Bauch, braucht er auch, was ist das für ein Mann, der keine Autorität hat.
Esti sagt: Sie gefallen mir, Ilona.
Esti hört: Sie mir auch.
Esti hört: Mein erster Herr war schrecklich reich, sechzig Morgen, nicht versalzen, ein Haufen Schafe, mehr als achtzig, und ich ein armes Mädchen, so arm, wie man es nur in der Tiefebene sein kann, meine Mutter war mit uns allein geblieben, sie kämpfte allein, nahm jede Arbeit an, unser Vater lachte nur im Himmel, er ist mit Absicht gestorben, sagte unsere Mutter zornig, damit er nicht mehr kämpfen, nicht mehr ständig zornig sein muss, ermüdend zornig, wie der Hüftverschleiß ist auch der Schmerz ermüdend, deshalb bin ich zu diesem reichen Bauern gegangen, einem Großbauern, der Kampf, Kornéllein, die Müdigkeit hatten ein Ende, es gab, wissen Sie, nur ein Problem, ein kleines Problem, das Problem war, dass ich diesen Menschen nicht liebte, und als wir in der Sakristei standen und auf den Priester warteten, da sagte ich zum Herrgott, Herrgott, bestrafe mich nicht, doch wenn ich jemanden finde, den ich liebe, dann werde ich diesen armen Mann hier neben mir auf der Stelle betrügen, und nun, er hat mich nicht bestraft.
Esti hört: Nach meinem Józsi, denn ihn hat der Herr auf grausame Weise zu sich genommen, nun ja, er wird wissen, warum, ich, Kornéllein, spreche seitdem nicht mehr mit ihm, nach meinem Józsi brauchte ich keinen Mann mehr, keiner konnte mir gefallen, nicht einmal der, der mir gefiel, lange trieb sich hier ein Witwer herum, er könne mir mit diesem oder jenem helfen, ich solle es ruhig ihm überlassen, er würde auch das Holz nach hinten bringen, ich sagte ihm, meinetwegen, meinetwegen könne er es nach hinten bringen, doch ich würde ihm die Arbeitszeit bezahlen, er hat sich aus dem Staub gemacht, ich habe ihn nie wieder gesehen, habe das Ganze selbst in den Holzschuppen gebracht, dorthin, wo ich meinen Józsi am Strick gefunden habe, dabei, Kornéllein, kann ich einen Mann noch als Mann sehen, selbst mit achtzig, nicht als ob das Alter nicht zählte, es zählt sogar sehr, und wissen Sie, wo?, Kornéllein, dort, wo es nur noch geht, wenn Liebe dabei ist, ohne Liebe geht es nicht, wenn man jünger ist, geht es immer, lachend wie die Huren, doch das kann ich nicht mehr, dazu ist mein Körper schon zu schwach, es braucht Liebe, braucht auf jeden Fall Liebe, Kornéllein, das ist die Wahrheit.
Kornél Esti hört nicht, sagt nicht: Diese Wahrheit ist Kornél Estis Leben, sein ganzes Leben lang hat er sich gewünscht, dies sei sein Leben.
Nuttig
K ornél Esti trug als Studentin skandalös kurze Röcke, was als nuttig bezeichnet wurde und was höchstens der Zeitgeist entschuldigte, der es gerade für wichtig erachtete, Sex und Krieg auseinanderzuhalten, und dabei Ersteren bevorzugte. Das ist der eine Strang.
Der andere Strang ist Ultimo.
Estis Ziehvater, von Esti nur »letzter Mann meiner Mutter« genannt, während sie bis zum Tod der Mutter ausdauernd und ergebnislos daran arbeitete, dass er der vorletzte wurde, war ein hoher Apparatschik, ein halbhohes Tier im Innern, sonst ein Prollkind aus
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