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Esti (German Edition)

Esti (German Edition)

Titel: Esti (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Esterházy
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anstarrt. Was für eine vornehme Einsamkeit, Freunde, was für eine Unabhängigkeit und Sorglosigkeit. Mit einem Mal fühlt man sich als unmündiger Säugling. Es erwacht ein unerklärliches Vertrauen in die Erwachsenen, die so viel klüger sind. Man überlässt das Reden und das Handeln ihnen. Und akzeptiert alles unbesehen beziehungsweise ungehört.
    Derart exemplarisch war die Situation nicht, denn Giovannas Geschnattere interessierte mich nicht, dabei war es kein Monolog, sondern ein Gespräch, das ich von Zeit zu Zeit durch ein Räuspern oder ein Mhm voranbringen musste. Manchmal gelang es mir, Städtenamen zu identifizieren, Siena, schien sie gesagt zu haben, oder doch eher Siesta?, ich wusste nicht, wo es langging, wo wir entlanggingen, ob wir uns gerade über die Sicherheit von Atomreaktoren oder die Unsicherheit von Oralsex austauschten. Doch wir tauschten uns aus. Ich sagte zumeist »ja«, denn »ja« kann sich auf vielerlei Weise winden, es kann Frage sein, »nein« bedeuten, Rechenschaft fordern, Verwunderung ausdrücken, es kann sogar »ja« heißen, mit si riskierte ich also nicht viel, kam mit meiner Arbeit weiter. Nach einem vertraulich klingenden si entstand eine bestürzte Stille. Hätte Schweiß eine Stimme, wäre nur das Dröhnen von Giovannas süßlichem Arbeitsgeruch zu hören gewesen.
    Sie richtete den Blick forschend auf mich und erkundigte sich energisch: Si ? Ich dachte, wenn ich es gesagt habe, dann habe ich es gesagt, Petőfi feilscht nicht, EIN MANN EIN WORT , mit männlicher Strenge nickte ich, si . Giovanna sperrte ungläubig den Mund auf, si-i-i ? Bitte nicht mir auf die Nerven gehen, selbst wenn ich am Rande eines dunklen, unbekannten Abgrundes wanke, ist es si , ein si , wie es die Leute hier seit Garibaldi nicht erlebt haben, si! , rief ich also kämpferisch, als hätte ich das geliebte Siebenbürgen zurückerobert, obwohl Giovanna dafür gewiss kein Sensorium hatte. Also Südtirol.
    Da stand die Frau bereits an der Mündung des Schreibtischs, sozusagen; für das kämpferische si hatte ich aufstehen müssen. Aufspringen. Wir standen einander Auge in Auge gegenüber. Teilnahmsvoll musterte sie mein Gesicht. Fast flüsternd fragte sie, si? Es gab kein Zurück mehr, si , hauchte ich. Tränen glitzerten in ihren Augen, povero uomo , sagte sie, jede Silbe betonend, povero uomo , und rannte wie ein verstörter Backfisch hinaus.
    Das ist mein Leben, jenes geheimnisvolle Leben, das nur diese italienische Frau kannte, das dem wonnigen Schauder babylonischer Sprachverwirrung entsprungen ist, die Uendlichkeit, Verzweiflung, schwere Glückseligkeit des povero uomo , des armen Mannes.

Die gute Absicht
    E sti drückte schon seit einiger Zeit die Frage, und zwar tierisch, ob er möglicherweise ewig lebe. Bitte nicht. Das ist zu lang. Er sehe die gute Absicht von Da Oben, und er wolle auch nicht rebellieren, doch er nähme nicht so gern an diesem Projekt teil. Unter die Erde, Würmer, es war einmal, Schluss, das ist sicher, das hat Würde, ein menschliches Antlitz, er gehe gar nicht ins Detail. Er wolle sich durchaus nicht als undankbar erweisen, als ließe er anmaßend seiner Zunge freien Lauf. Er spürte, dass seine Argumentation nur halbwegs überzeugend war.
    Dann beruhigte ihn das uneindeutige Ergebnis einer Untersuchung, die infolge mehrmaliger Atemnot gemacht wurde und seiner Ansicht nach im Wesentlichen auf Missverständnissen beruhte, in dieser Sache. Doch er war nur halbwegs beruhigt. Diese »halbwegs« sind sein Leben geworden.

Die Verwunderung
    B ei Esti wurde Brustkrebs festgestellt, Brustkrebs! Bei Esti! Er hatte sich erkältet, beim Husten stach es leicht in der Rippengegend, er langte hin, tastete, und wo an den Rippen im Allgemeinen die Brüste beginnen, die Titten, nun, wenn man welche hat, spürte er einen Knoten, ein Geschwulst, etwas. Als die Ärzte das Verdikt sprachen, nahm er es keinen Augenblick lang ernst, einen Mann kann man mit so etwas nicht erschrecken. Auch die Baroness gerät bei einem Hodenbruch nicht außer sich. Doch gerade als er das zu Ende gedacht hatte – starb er auch schon. Darüber war er aufrichtig verwundert. Diese Verwunderung, dieses überraschte Staunen, diese leichte Enttäuschung von sich selbst sind dann sein Leben geworden, wenn das ein Leben ist, doch, ist es.

Lied von der Einsamkeit
    N ach alldem stellte sich Kornél Esti Gottes Leben vor. Lied von der Einsamkeit.
    Das »nach alldem« bedeutet Folgendes: Ein unangenehmer, grauer Januar brach

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