Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
vielleicht. Eigentlich gar nicht mal so schlecht.
Olivia nahm all ihren Mut zusammen, betrachtete Wenona und blickte zu ihrer absoluten Überraschung in Lennos Augen. Nur dass sie in dem Gesicht dieses Weibchens waren. Indem sie Lennos Schwester nun direkt vor sich sah, erkannte sie, dass die Ähnlichkeit mit ihrem Bruder viel gravierender war als in seinen Erinnerungen. Olivias Körper entspannte sich augenblicklich, denn dieses Gesicht gab ihr das nötige Vertrauen. Sie setze sich langsam auf ihre Hinterläufe und beobachte Wenona neugierig. Als diese lachte, sah sie ihrem Bruder plötzlich noch ähnlicher. Unweigerlich begann Olivia erneut zu schnurren und drückte so ihr zunehmendes Gefallen an dem Weibchen aus. Jetzt war sie dazu bereit, sich Lennos Schwester anzuvertrauen und ihr zu folgen.
Solange Lenno ebenfalls ein Berglöwe gewesen war, hatte sie es irgendwie spannend gefunden, in diesem Tierkörper zu stecken und den neuen, ungewohnten Instinkten nachzugeben. Sie hatte sich zwar zu Beginn vor den intensiven Eindrücken gefürchtet, doch wäre sie skrupellos in diesen Kampf mit dem Berglöwen gegangen. Das hatte Olivia sehr beeindruckt, auch wenn ihr im Nachhinein etwas schwindlig bei dem Gedanken daran wurde. Jetzt war sie jedoch die Einzige, die in einem Tierkörper steckte. Das war seltsam und sie fühlte sich damit überhaupt nicht mehr wohl. Sie ärgerte sich sogar ein bisschen darüber, dass sie sich nicht auch zurückverwandeln konnte.
Flankiert von Lenno und seiner Schwester, trottete Olivia frustriert einen wild bewachsenen Pfad entlang. Viel erkennen konnte sie in der Dunkelheit und dem Nebel, der sich langsam auf den Waldboden senkte, nicht.
Nach einem kurzen Fußmarsch kamen sie zu einer größeren Lichtung. Auch sie war halb von Felsen umringt und sah der kleinen, die sie verlassen hatten, sehr ähnlich. In der Mitte der Felsen klaffte der Eingang einer Höhle, auf den sie direkt zusteuerten. Zu dritt betraten sie das hohe Gewölbe, in dem es derart still war, dass Olivia sich fragte, ob alle Bewohner bereits schliefen oder die Anweisung hatten, sich wegen ihrer Ankunft nicht blicken zu lassen.
Bis zur Mitte dieser Halle hatte Olivia ihre Schritte so weit verlangsamt, dass sie dort stehen blieb und sich überwältigt auf ihre Hinterläufe setzte. Überall flackerten Lichter in kleinen Lämpchen, die von den jahrtausendealten Kristallen an den Wänden und der Decke reflektiert wurden. Es mussten Hunderte von tanzenden Flammen sein, die durch ihr Licht alles in einem Glitzern und Funkeln erstrahlen ließen.
Olivia saß inmitten dieser wunderschönen Szenerie und betrachtete diese selbstvergessen und verzaubert. Lenno drehte sich zu ihr um und beobachtete sie einige Minuten dabei. Als sich ihre Blicke trafen, kam er zu ihr zurück und ging lächelnd neben ihr in die Hocke. Liebevoll glitt seine Hand über ihr Fell. „Willkommen in Tenya Nahele.“
Nur schwer konnte sich Olivia von diesem Anblick lösen, denn er lenkte sie durch seine Schönheit von ihrem Unbehagen ab. Als sich jedoch fremde Stimmen näherten, sah sie verängstigt zu Lenno und Wenona, die sie daraufhin in die andere Richtung weiterführten. Sie nahmen einen der beiden Gänge, die von der großen Höhle aus abzweigten, und kamen durch mehrere zwar beeindruckende Gewölbe, die aber bei Weitem nicht an die Pracht der Eingangshalle herankamen. Schließlich endete ihr Weg in einem Raum, der ebenfalls mit vielen kleinen Lämpchen erleuchtet war. Man hatte darin zwei Schlafstellen aus Fellen vorbereitet, eine in einer Nische im Fels, die andere an einer Wand auf dem Boden.
Wenona blieb im Gang stehen und zog den dicken Vorhang an der Tür zu. Endlich waren Olivia und Lenno für einen Moment allein.
Verunsichert schaute sie sich in dem kleinen Raum um. Dies sollte also für die nächste Zeit ihre Bleibe sein. Sie hatten gar nicht darüber gesprochen, wie lange es dauern würde. Waren es Stunden? Tage? Wochen? Jetzt war es zu spät, um das zu klären!
Sie fürchtete sich plötzlich vor jeder Sekunde, die verging, denn jede Einzelne bedeutete, dass der Zeitpunkt, in dem Lenno sie allein lassen würde, immer näher rückte. Ihre innere Unruhe drückte sich äußerlich durch die nervös hin und her tippende Schwanzspitze aus, auf die sie irgendwie keinen Einfluss hatte. Sie sehnte sich danach, ihn in den Arm zu nehmen und wünschte, diese Rückverwandlung läge bereits hinter ihr.
Hatte Lenno bei den vielen Dingen, die sie in den
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