Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
ihre Chance! Ihrem Versuch, sich zu drehen, wurde jedoch sofort ein Ende gesetzt. Lenno packte fester zu und verlagerte sein Gewicht auf ihr, sodass sie sich kaum rühren konnte.
Dieses Spielchen wiederholten die beiden Berglöwen zig Male, bis die Raubkatze in Olivia endlich aufgab und einsah, dass dieses Männchen den Kampf zwar gewonnen hatte, ihr aber nichts anhaben wollte.
Es wurde bereits dunkel, als die Berglöwin sich das erste Mal nicht sofort wehrte, sobald Lenno den Biss lockerte. Olivia war erschöpft vor Aufregung und Anstrengung und spürte, dass die Berglöwin ebenfalls langsam zur Ruhe kam. Wie viele Stunden sie so ausgeharrt hatten, konnte sie nicht einschätzen. Die Lust und die Kraft, den Kampf fortzuführen, waren verschwunden. Auch konnte sie keine Energie mehr zur Gegenwehr aufbringen. Deshalb legte sie kraftlos ihren Kopf auf ihre Vorderpfoten.
Lenno gab sie sofort aus seinem Biss frei.
Erleichtert entspannte sie sich, obwohl ihr der Nacken von den Bissen fürchterlich wehtat. Als ob er sich dessen bewusst wäre, begann der Berglöwe mit seiner rauen Zunge über die wunde Stelle zu lecken. Zunächst fand Olivia diese Geste ein wenig befremdlich, doch je länger er es wiederholte, umso mehr fühlte es sich wie Lennos Küsse auf ihrem Hals an.
Und dann passierte etwas, was sie kaum für möglich gehalten hätte. Sie schnurrte.
Offenbar war Olivia irgendwann eingeschlafen, denn sie wachte vollkommen desorientiert auf. Neben ihr saß Lenno in seiner Menschengestalt, der über ihren Rücken streichelte und beruhigend auf sie einredete. Verwundert sah sie ihn an, hatte komplett vergessen, wo und was sie war. Sie wollte ihn anlächeln, fing aber stattdessen wieder an zu schnurren. Dieses Geräusch erinnerte sie schließlich unüberhörbar daran, in wessen Körper sie steckte.
Warum hatte er sich zurückverwandelt, während sie unverändert eine Berglöwin war? Sie stand auf und guckte sich verwirrt um.
Weitere Menschen waren auf die Lichtung gekommen, deren Anwesenheit Olivia mächtig erschreckte. Sie blieb stocksteif stehen, duckte sich ein wenig und schwang ihren Schwanz kräftig hin und her, um den Fremden zu zeigen, dass sie ihr auf keinen Fall zu nahekommen sollten.
Einer der Menschen bewegte sich trotz ihrer warnenden Körperhaltung langsam auf sie zu und Olivia konnte kaum ihr Knurren unterdrücken. Hilfesuchend wanderten ihre Augen kurz zu Lenno, der sie beruhigend ansah und mit seiner sanften und vertrauten Stimme mit ihr sprach.
„Das ist Wenona, meine Schwester. Sie wird uns beide zu dem Ort deiner Rückverwandlung begleiten, damit du dich an sie gewöhnen kannst.“
Er kraulte sie hinter ihrem Ohr, was sich überraschend angenehm anfühlte und sie ein wenig besänftigte.
„Denk daran, sie ist die Einzige, der ich mein Wertvollstes anvertraue“, flüsterte er ihr zu, und Olivia verstand sofort, was er meinte. Egal, was sie empfand, Wenona würde gut zu ihr sein, so wie Lenno selbst. Sie drückte ihren Kopf an seine Schulter und rieb sich kräftig an ihm, um ihm eine Bestätigung zu geben. Aber auch, um sich zu beruhigen und um seine Nähe ein bisschen zu genießen.
Er lachte und flüsterte, damit die anderen es nicht hören konnten: „Ich freue mich schon auf unser Wiedersehen. Ich liebe dich, Soyala Onida Satinka.“ Dabei sah Olivia, dass er sich kaum zurückhalten konnte, ihr einen Kuss zu geben. Dann stand er auf, blieb aber neben ihr stehen, seine Hand auf ihrem Rücken.
Wenona, der weibliche Mensch, kam auf sie zu und duftete so schrecklich fremd. Etwas sträubte sich in Olivia gegen ihre Nähe. Ebenfalls gefiel ihr der Gedanke, womöglich von ihr berührt zu werden, überhaupt nicht. Es tobte ein innerer Kampf in ihr, der darin bestand, gegen die Abwehrhaltung der Raubkatze anzukämpfen und diese zu unterdrücken. Wenona würde gut zu ihr sein, das hatte Lenno versprochen. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass sich die Berglöwin in ihr immer wieder aufbäumte, sobald sie Wenonas Duft einatmete. Lenno zuliebe würde sie allerdings alles in ihrer Macht stehende tun, um seine Schwester nicht anzufallen.
Dafür musste Olivia ihre gesamte Willenskraft aufbringen, als Wenona sie schließlich berührte. Sie schloss die Augen und stellte sich vor, es wäre Lennos Hand, die sanft über ihr Fell fuhr.
Nur langsam gewöhnte sie sich an diesen fremden Duft und bemerkte nach einer Weile, dass er dem ihres Bruders sehr ähnelte. Zarter und ein bisschen blumiger
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