Etenya Saga - Band 1: Soyala - Zeit der Wintersonnenwende (German Edition)
letzten zwei Tagen erfahren hatte, ebenfalls erwähnt, was jetzt genau auf sie zukam?
Das Einzige, an das sie sich erinnerte, war der dunkle Schatten, der bei dem Gedanken an diese Prozedur über sein Gesicht gehuscht war. Zu dumm, dass sie ihn nicht darauf angesprochen hatte! Nun war es auch dafür zu spät und sie schaute ernüchtert zu ihm. Sie wusste weder, was sie tun, noch wie sie reagieren sollte.
Von Zweifeln zerfressen, ob sie derart unvorbereitet wirklich den richtigen Schritt gewagt hatte, schnürte sich ihre Kehle zu. Gleichzeitig überfiel sie ein extremes Engegefühl in dieser fremden Hülle, sodass sie diese am liebsten sofort abgestreift hätte. Sie mochte diesen Katzenkörper plötzlich nicht mehr, wollte einfach aus ihm hinausschlüpfen. Sie schämte sich plötzlich für ihn und ihre Unfähigkeit, sich selbstständig daraus zu befreien.
Lenno war in der Nähe des Eingangs stehen geblieben und hatte sie die ganze Zeit aufmerksam beobachtet. Jetzt setzte er sich in Bewegung und kniete sich zu ihr auf den Boden. Vorsichtig streichelte er ihren Kopf, hob ihn sanft mit seiner Hand an und lächelte. „Olivia, du bist für mich die schönste Berglöwin, die ich je in meinem Leben getroffen habe“, sagte er, als stünden ihre Gedanken in ihrem Gesicht. „Aber ich freue mich auch wahnsinnig darauf, dich bald in dem Körper wiederzusehen, in dem ich dich sah, als ich mich in dich verliebte.“
Erleichtert ging sie einen Schritt auf ihn zu und schmiegte ihren Kopf an seine Schulter. Du wirst mir so sehr fehlen, dachte sie traurig. Lenno umarmte sie vorsichtig und drückte sie sanft an sich.
„Ich darf mich eigentlich gar nicht in diesem Teil der Höhle aufhalten. Deshalb muss ich jetzt gehen, bevor es jemand bemerkt“, flüsterte er nach einer Weile. „Vertraue mir, es ist leichter für dich, wenn ich nicht dabei bin.“ Er streichelte sie erneut, sah sie nachdenklich an, und in seinem Gesicht spiegelte sich seine Zerrissenheit wider. „Ich hoffe, es geht schnell und ist nicht so schlimm für dich.“
Nachdem Lenno den Raum endgültig verlassen hatte, trat Wenona ein, um Olivia auf diesem steinigen Weg zu begleiten, der nun vor ihr lag. Denn dieser Weg wurde mehr als steinig und zermalmte bald Olivias Willen, in die Zukunft zu blicken. Weder ging es schnell, noch war es nicht schlimm. Das, was Olivia nun erlebte, war einfach nur schrecklich.
Es folgte ein unerbittlicher Kampf zwischen ihrer und der Katzenseele, deren Körper sie sich bemächtigt hatte. Olivia verweigerte zunächst strikt die Rückverwandlung in einen Menschen und wollte aus unerfindlichen Gründen ihre erste Existenz in dieser Welt keinesfalls aufgeben. Sie war überzeugt davon, als Berglöwin stark zu sein, und dieser Körper gab ihr das Gefühl von Sicherheit. Sie konnte es sich selbst nicht erklären, aber je länger sie in dieser Hülle steckte, umso mehr schien sie ihre eigene Existenz zu vergessen und die Instinkte der Löwin übernahmen ihr Denken und Handeln.
„Der Kampf zwischen deiner menschlichen Seele und der Katzenseele ist der erste Schritt zur vollständigen Vereinigung, Soyala“, erklärte ihr Wenona geduldig. „Erst wenn du bereit bist, ihn zu gehen, kannst du dich auch körperlich mit der Berglöwin verbinden.“ Sie streichelte Olivia sanft über das Fell und fuhr mit ihrer beruhigenden Stimme fort: „Danach wirst du fähig sein, zwischen den beiden Erscheinungsformen hin und her zu wechseln.“
Dieses Tier und seine Instinkte erschienen so unnachgiebig und ihr mental weit überlegen, dass Olivia bald mit sich haderte.
Schwach und hilflos grämte sich ihre menschliche Seite und zog sich vollkommen eingeschüchtert immer weiter zurück, bis Olivia schließlich kurz davor war, sich selbst aufzugeben und keine Chance mehr sah, diesen Kampf zu gewinnen.
Für Wenona war diese Situation ebenfalls eine große Herausforderung. Sie gestand Olivia, dass es das erste Mal für sie war, einer erwachsenen Person bei der ersten Verwandlung zu helfen. Normalerweise ging diese um den dritten Geburtstag jedes Kindes vonstatten. Sie vollzog sich allerdings in der entgegengesetzten Richtung, von der menschlichen in die tierische Gestalt. In der Regel brauchten die Kinder die Fähigkeit zur Rückverwandlung in einen Menschen nicht mehr zu erlernen, wenn sie den ersten Schritt beherrschten.
Trotz der Schwierigkeiten gab Wenona Olivia nicht kampflos auf.
An den ersten beiden Tagen hatte sie ihr gut zugeredet, Beschwörungen
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