Eternal - Die Geliebte des Vampirs
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»Warum bist du hier?«, fragte Lia nach einer oder zwei Minuten des Schweigens. Unter der Erde gelegen und gut befestigt, wie er war, ähnelte der Raum einem Grab. »Es ist ja nicht so, dass ich abhauen könnte.«
»Ich bin gekommen, um zu sehen, ob ich etwas für dich tun kann«, erwiderte Kaleigh sanft.
Sie erwartete weitere zynische Kommentare von Lia. Ihr leiser Seufzer überraschte sie.
»Was habe ich getan?«, flüsterte Lia. »Wie konnte ich diese Jungs nur umbringen?« Noch immer in der Koje liegend, hob sie ihre Hände und starrte darauf. »Wie konnte ich nur glauben, dass ich das Recht habe, jemandem das Leben zu nehmen? Wie konnte ich das nur für richtig halten?«
Kaleigh wischte sich die Tränen fort. Sie musste daran denken, dass auf der anderen Seite des Gitters ebenso gut Katy hätte sitzen können. Oder einer der anderen Teenager von Clare Point. Vielleicht sogar sie selbst. Es war so schwer, jung zu sein. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es war, für immer in diesem Alter gefangen zu sein, so wie Lia. Nur durch die Gnade Gottes und die Liebe ihrer Familien wurden Kaleigh und ihre Freunde daran gehindert, aus einem spontanen Impuls heraus irreparablen Schaden anzurichten, wie es Lia getan hatte.
Lia setzte sich auf und fuhr sich über die Augen. Sie sah zu Kaleigh. »Dein Onkel hat gesagt, dass du die Wahrsagerin deiner Familie bist. Irgendwie erstaunlich, wie das bei euch funktioniert. Du bist jung und gleichzeitig alt.«
Kaleigh wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hörte einfach zu.
»Ich fände es cool, die Wahrsagerin zu sein.«
»Das ist es auch manchmal«, stimmte Kaleigh zu. »Aber es ist auch hart. Besonders jetzt, wenn ich noch so jung bin. Die meiste Zeit über bin ich hin- und hergerissen. Einmal bin ich erwachsen, richtig erwachsen. Und dann wieder nur ein Teenager.«
Lia kam ans Gitter. »Erzähl mal.«
»Wenn es nur etwas gäbe, das ich tun könnte, um dir zu helfen.« Kaleigh stand auf und umklammerte einen der Gitterstäbe.
»Schon in Ordnung. Ich verstehe es ja. Man kann keine Vampire auf der Erde herumlaufen lassen, die Menschen umbringen. Wenn Leute wie ich alle Menschen töten würden, wie sollten sich dann Vampire wie ihr die Erlösung verdienen?«
»Du wusstest von uns?«
»Jeder Vampir auf der Welt weiß über die berühmten Kahills Bescheid.« Lia lächelte traurig. »Ich wollte immer zu eurer Familie gehören. Ich habe mir vorgestellt, wie es wäre, überall auf der Welt Leute zu retten.«
»Es klingt aufregender, als es ist. Die meiste Zeit über ist es einfach nur gruselig.«
»Wahrscheinlich.« Lia zuckte mit ihren mageren Schultern. »Wie lange habe ich noch?«
»Ein paar Tage. Der Generalrat wird zusammentreten und die Empfehlung aussprechen, dass dein Fall dem Hohen Rat unterbreitet wird. Einer unserer Ältesten wird dich vertreten. Der Hohe Rat wird deinen Fall anhören und dann abstimmen.«
»Und das Urteil vollstrecken«, fügte Lia hinzu, mit einer Stimme, die von weit her zu kommen schien.
Kaleigh musterte das Mädchen auf der anderen Seite des Titaniumgitters. »Und das Urteil vollstrecken.«
»Wie lange nach dem Urteilsspruch?«
Kaleigh wollte nicht antworten, aber sie hatte das Gefühl, es Lia schuldig zu sein, dass sie absolut ehrlich zu ihr war. »Gleich danach.«
»Und meine Familie?«
»Sie werden die Erlaubnis bekommen fortzugehen, sofern feststeht, dass sie an dem, was passiert ist, nicht beteiligt waren.«
»Sie hatten nichts damit zu tun!« Lia umklammerte die Gitterstäbe. Dabei berührten ihre Hände die von Kaleigh. »Sie wussten nichts davon. Ihr müsst sie nach Italien zurückkehren lassen.«
»Ich werde tun, was ich kann.«
Die Tür hinter Kaleigh öffnete sich. Es war Fin.
Kaleigh sah wieder zu Lia. »Ich muss jetzt gehen, aber ich komme morgen wieder.« Sie wandte sich ab, doch Lia legte ihre Hand auf die von Kaleigh.
»Ja, bitte komm wieder.« Lias Stimme zitterte. »Versprichst du es mir?«
»Ich verspreche es.«
Kaleigh ließ den Stuhl, wo er war. Als sie durch die Tür ging, ergriff sie Fin am Ärmel. Sie sah ihm in die Augen – diese freundlichen, traurigen Augen.
Gibt es gar nichts, was wir tun können?
, fragte sie telepathisch.
Sie ist doch noch ein Kind. Ich glaube wirklich nicht, dass sie wusste, was sie tat.
Sie hat drei unschuldige junge Männer umgebracht und unseren Clan gefährdet. Wir haben Regeln. Sie wird nicht anders behandelt als einer der Unseren.
Aber sie ist nicht wie wir
,
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