Eternity
nur beschleunigen würde, indem sie zur Sankt-Georgs-Kathedrale fuhr. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass Meena wusste, dass sie all das verursacht hatte. Und sie wusste, was sie wusste, und sah, was sie sah. Und das war mehr, als Alaric Wulf mit all seiner Erfahrung oder Abraham Holtzman mit seinem Handbuch ahnten.
Sie war diejenige, die in die Zukunft gesehen hatte – und diese Zukunft war erfüllt von Feuer, Dunkelheit und quälendem Tod für alle.
Aber die Zukunft konnte sich ändern. Sie konnte sie ändern. Sie hatte es schon oft getan, hatte Menschen davon abgehalten, in den Abgrund zu stürzen. Und an diesem Abend würde sie es wieder tun.
Und niemand, weder Alaric noch Lucien, noch nicht einmal ein wild gewordener Haufen Vampire würde sie davon abhalten.
Die Bahn fuhr in die Station an der 77th Street ein. Hier musste Meena aussteigen.
Sie stand auf, hielt jedoch an der Tür inne. Auf dem Platz vor ihr hatte ein Pärchen gesessen, das aufgestanden war, um ebenfalls auszusteigen. Meena blickte sie an …
… und sah vor ihrem geistigen Auge, dass sie beide sterben würden, von einem riesigen Gerüstteil am Kopf getroffen. Es sah verdächtig nach dem mit einer blauen Plane abgehängten Gerüst der Sankt-Georgs-Kathedrale aus.
Die beiden hielten sich eng umschlungen und gingen knutschend auf die Tür zu. Meena stellte sich in die offene Tür, hob beide Hände und zischte sie an.
»Zurück!«, schrie sie. »Steigt hier nicht aus! Diese Haltestelle ist böse, hört ihr? Böse!«
»Scheiße!«, schrie der Junge und wich zurück.
Das Mädchen schwankte zwischen Angst und Verlegenheit. Sie kicherte nervös. »Hey«, sagte sie zu ihrem Freund, »was ist denn mit der los?«
»Ich bin ein Vampir!«, schrie Meena. Sie trat auf den Bahnsteig, blieb aber in der Türöffnung stehen und machte weiter drohende Gebärden. »Ein Vampir! Bleibt in der Bahn!«
»Achtung! Zurücktreten! Türen schließen!«, verkündete die Stimme aus dem Lautsprecher.
Die Zugtüren glitten zu, und das Paar konnte nicht mehr heraus. Meena ließ sofort die Hände sinken, nahm wieder ihre normale Haltung ein und ging auf den Ausgang zu. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass der Junge eine obszöne Geste in ihre Richtung machte.
Sie winkte ihm zu.
Eilig lief sie über den Bahnsteig, der am Samstagabend leer war. Es roch vertraut nach Schmutz und Urin, als Meena die Treppe zur 77th Street hinaufrannte.
Jetzt war sie gleich da. Was würde sie tun?
Sie wusste es noch nicht genau. Sie hatte immer noch den
Pflock in der Tasche, den Alaric ihr gegeben hatte. Vielleicht würde sie einen Vampir töten. Vielleicht Dimitri.
Sie hatte Jon ihr Handy wieder weggenommen, nachdem er Alaric erreicht hatte, und hatte Lucien eine SMS geschickt, damit er erfuhr, was mit Leisha passiert war.
Sie war schließlich keine Närrin. Mit etwas Glück würde er schon in der Sankt-Georgs-Kathedrale sein, bis sie dort ankam. Dann wäre Leisha vielleicht schon frei und unversehrt, und Dimitri und die anderen Dracul wären nur noch Staub. Lucien würde sie zärtlich in die Arme nehmen, und sie würden nach Thailand fliegen, um dort ein neues Leben als Mann und Frau zu beginnen … vorher würden sie natürlich noch Jack Bauer bei Pradip abholen. Und Jon würde ihr Trauzeuge sein.
Ja, klar, dachte Meena zynisch, als sie sich der Kirche näherte. Die Türme ragten angestrahlt in den tintenschwarzen Himmel.
Als ob das jemals passieren würde.
Die Kirche wirkte verlassen … tot. Die blaue Plane war unbeschädigt, Stacheldraht und schwere Vorhängeschlösser sicherten den Eingang.
Meena sah weder einen Menschen noch einen Vampir.
War das alles nur eine Art kranker Scherz gewesen? Hatten sie sie für nichts hergelockt? Und wenn … wo war dann Leisha? Wie sollte Meena sie jemals finden?
Frustriert und wütend stand Meena unten an der Treppe vor der Kirche, genau an der Stelle, an der Lucien sie ein paar Nächte zuvor vor dem Angriff der Fledermäuse geschützt hatte. Wenn sie doch nur die Zeit zurückdrehen könnte …
Und dann? Was würde sie anders machen?
Überhaupt nichts. Genau hier hatte sie sich in ihn verliebt. Er war alles, was …
»Meena!«
Erschreckt drehte Meena sich um. Die Stimme kannte sie.
Zuerst sah sie niemanden, aber schließlich entdeckte sie im Schein der Straßenlaternen den Mann, der auf den Stufen eines Hotels auf der anderen Straßenseite saß.
»Adam!«, rief sie. »Was machst du da drüben?«
Als sie über die
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