Eternity
Gegensprechanlage.
»Nicht nötig«, unterbrach Alaric ihn. »Ich möchte sie so spät nicht stören. Vielleicht komme ich morgen noch einmal vorbei.«
Damit drehte er sich um und verließ das Gebäude. Holtzman folgte ihm.
»Beeindruckend«, sagte sein Vorgesetzter zu ihm. »Schön zu sehen, dass du zur Abwechslung mal eine der Techniken anwendest, die ich dir beigebracht habe, anstatt dauernd nur mit deinem Schwert um dich zu schlagen.«
Alaric warf seinem Vorgesetzten einen irritierten Blick zu.
»Ich vermeide es, die Zivilbevölkerung zu töten, wenn möglich. Das hast du mir auch beigebracht, weißt du noch?«
»Ja, ich weiß«, sagte Holtzman. »Aber was genau hast du eigentlich da drinnen bezweckt, abgesehen davon, dass du wahrscheinlich jetzt die Antonescus auf uns aufmerksam gemacht hast? Der Portier wird ihnen bestimmt erzählen, dass wir da waren. Und wir sind kein Stückchen näher am Prinzen dran.«
»Nein«, stimmte Alaric zu. »Wir haben jedoch den Namen des Mädchens.«
»Und was nützt uns das?«
»Oh«, erwiderte Alaric. »Ziemlich viel, denke ich. Denn sie wird uns direkt zu ihm führen.«
Dann fügte er nachdenklich hinzu: »Das heißt, wenn sie diese Nacht überlebt.«
27
Freitag, 16. April, 1.00 Uhr
Metropolitan Museum of Art
1000 Fifth Avenue, New York
Als Meena damals in die Stadt gezogen war, hatte sie viel Zeit im Metropolitan Museum of Art verbracht. Ganz besonders hatte ein Porträt der heiligen Johanna von Orléans sie angezogen. Es hing im Flügel für das 19. Jahrhundert und war von einem Künstler namens Jules Bastien-Lepage gemalt worden.
Das Gemälde zeigte Johanna vor dem Haus ihrer Eltern, wie sie in den Himmel starrte und anscheinend der Stimme eines Engels lauschte. Der Engel schwebte hinter ihrem Rücken, ein ätherisches Wesen, das ihr etwas zuflüsterte.
Das Bild war absolut nichts Besonderes und verglichen mit den anderen Schätzen des Museums wohl eher eins der weniger bedeutenden Werke. Und doch ging Meena als Erstes immer dorthin, und wenn sie sich besonders mutlos oder niedergeschlagen fühlte, dann stand sie manchmal über eine Stunde davor.
Aber Prinz Lucien ging nicht mit Meena zur Sammlung des 19. Jahrhunderts, als er sie in jener Nacht in das Metropolitan Museum mitnahm.
Er führte sie durch einen dunklen, stillen Saal im Erdgeschoss zur Mittelalterausstellung. Es war seltsam, in einem Museum zu sein, das geschlossen war. Meena hatte die Säle noch nie so leer erlebt. Sie konnte das stetige Pochen ihres eigenen Herzens hören, so aufgeregt war sie. Lucien behauptete zwar, es sei alles in Ordnung, aber es kam ihr doch verboten vor, sich mitten in der Nacht im Metropolitan aufzuhalten.
Und jetzt hielt Lucien wieder ihre Hand.
Seine Finger kamen ihr ein wenig kühl vor, trotzdem empfand sie seine Nähe als seltsam beruhigend, so wie in jener Nacht vor der Sankt-Georgs-Kathedrale. Auch er war aufgeregt wie ein kleiner Junge, als er ihr die Schätze des Museums zeigte. Er legte einen Finger auf die Lippen, als er sie weiterzog.
»Lösen wir nicht die Alarmanlage aus?«, fragte Meena nervös. Jack Bauer zappelte auf ihrem Arm.
»Nur, wenn Sie versuchen, etwas zu stehlen«, scherzte der Prinz.
»Oh, da muss ich mich aber beherrschen«, erwiderte Meena seine Neckerei. Es freute sie, dass er offensichtlich auch eine lebhafte, fröhliche Seite hatte.
Bald waren sie umgeben von wunderschönen Triptychen der Muttergottes mit Kind und juwelenbesetzten goldenen Kruzifixen, die im Licht ihrer Schaukästen schimmerten. Lucien dirigierte sie zu einer Sammlung von Porträts und Holzschnitten aus dem 15. Jahrhundert.
Meena konnte die Tafeln neben den Schaukästen nicht lesen, weil es zu dunkel war, aber Lucien erklärte: »Hier ist Prinz Vlad Ţepeş von der Walachei dargestellt – der Nationalheld meines Landes, von dem ich Ihnen erzählt habe. Er lebte zu der Zeit, als die ersten Druckpressen erfunden wurden, deshalb gibt es zahlreiche historische Dokumente über ihn. Sein Vater, Vlad II., war ein Mitglied des Drachenordens, den der König von Ungarn gegründet hat, um die benachbarten Königreiche gegen das osmanische Reich zu vereinen. Deshalb wurde auch Vlad Ţepeş in den Orden aufgenommen – mit fünf Jahren, kurz bevor sein Vater ihn und seinen kleinen Bruder dem Sultan des ottomanischen Reichs als Geiseln übergab, als persönliche Garantie dafür, dass er den Sultan nicht angreifen würde, solange die Jungen unter seinem Dach
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