Eternity
lebten.«
»Ach, du lieber Himmel«, sagte Meena. Das war ja eine trübsinnige Geschichte.
Als sie sein Bild betrachtete, überraschte es sie nicht, dass Vlads Vater so grausam gewesen war, seine Söhne dem Sultan zu übergeben, nur um den Frieden zu garantieren. Wenn Vlad Ţepeş seinem Vater auch nur im Geringsten ähnlich sah, konnte er nicht sehr nett gewesen sein. Er hatte einen langen schwarzen Schnauzbart und Augen mit schweren Lidern.
Aber vielleicht konnten sie damals auch nur nicht besonders gut malen. Meena hatte diesen Teil des Museums immer gemieden. Sie konnte mehr mit der Romantik anfangen.
Lucien schien jedoch nichts von Meenas Abneigung zu merken. Als Geschichtsprofessor begeisterte ihn das Thema natürlich.
»Sein Bruder war zwar der Liebling des Sultans, Vlad jedoch behandelten die Osmanen leider nicht besonders gut«, fuhr Lucien fort. »Und als er endlich den Thron von seinem Vater erbte und in die Walachei zurückkehrte, war er sehr verbittert. Auch danach besserten sich die Dinge nicht für ihn. Er hatte ein unglückliches Leben mit viel Kummer. Seine erste Frau, die er innig liebte, war schön und unschuldig. Manche Menschen meinten sogar, sie sei … nun ja, ein Engel auf Erden gewesen.«
Meena zog die Augenbrauen hoch, und Lucien lächelte sie an.
»Ja«, sagte er, »ich dachte mir schon, dass Ihnen dieser Teil der Geschichte gefällt.«
Er führte sie zu einem primitiven schwarzweißen Holzschnitt von einem Schloss mit vielen Türmen, an dem ein Fluss vorbeifloss.
»Leider«, sagte er mit gepresster Stimme, »endet sie nicht so, wie Sie es gerne haben. Vlad und seine junge Frau lebten in Kriegszeiten, und als sie erfuhr, dass das Schloss von den Türken belagert wurde – die angeblich damals mit weiblichen Gefangenen
unaussprechlich brutal umgingen –, stürzte sie sich aus einem der oberen Fenster, weil sie den Tod vorzog.«
Meena zog scharf den Atem ein und blickte auf die obersten Türme des Schlosses.
»Sie fiel in den Fluss und ertrank«, fuhr Lucien seltsam emotionslos fort. »Der Fluss heißt heute noch Prinzessinnenfluss.«
»Oh«, sagte Meena unglücklich. Die Geschichte gefiel ihr immer weniger. »Wie traurig!«
»Ja, es war traurig«, stimmte Lucien zu. »Und es wird noch trauriger. Ihr Mann hatte sie aus Liebe geheiratet … eine Seltenheit in jenen Tagen. Nach ihrem Tod war er nie mehr derselbe. Manche sagen, er wurde wahnsinnig. Er begann seine Feinde – und selbst seine eigene Familie … seine Söhne – auf eine, nun, eine höchst bedauernswerte Weise zu behandeln.«
Meena sah Lucien scharf an, als er »höchst bedauernswerte Weise« sagte. Obwohl sein Ton immer noch so distanziert akademisch war und niemand sonst wahrscheinlich auch nur die leiseste Veränderung in seiner Stimme wahrgenommen hätte, wusste Meena, dass der Prinz an seine eigene Kindheit dachte. Luciens Vater hatte offensichtlich auch ihn »auf höchst bedauernswerte Weise« behandelt. Sie war sich fast sicher … umso mehr, als er mit brennendem Blick auf den Holzschnitt des Schlosses starrte.
Meenas Herz krampfte sich vor Mitleid zusammen. Ja, er war ein Prinz, er war attraktiv und reich und weltgewandt. Aber sie wusste, wie es war, Probleme zu haben. Echte Probleme. Die Probleme, die einen nachts nicht schlafen und nach Tabletten greifen ließen.
In diesem Augenblick überfiel Meena der plötzliche, heftige Drang, Lucien zu retten, der Drang, den sie immer verspürte, wenn sie auf jemanden traf, von dem sie wusste, dass er sterben würde.
Nur in diesem Fall wollte sie Lucien nicht vor dem Tod, sondern vor der Traurigkeit retten, die sie in seinen dunkelbraunen Augen sah. Sie wollte ihn so retten, wie er sie in jener Nacht vor den Fledermäusen gerettet hatte, die sich kreischend von den Türmen der Sankt-Georgs-Kathedrale auf sie gestürzt hatten. Sie wusste nur nicht, wie. Eigentlich konnte sie die Menschen doch nur vor ihrer Zukunft bewahren, und selbst das konnte sie nicht besonders gut. Wie rettete man jemanden vor seiner Vergangenheit?
Dann schien Lucien die Traurigkeit plötzlich abzuschütteln. Er drückte ihre Hand und sagte lächelnd: »Es tut mir leid, Meena. Sie haben gesagt, Sie mögen Geschichten mit glücklichem Ausgang, und ich erzähle Ihnen eine, die definitiv nicht glücklich ist. Ich weiß nicht, warum ich das starke Bedürfnis verspürt habe, sie mit Ihnen zu teilen. Für mich – für mein Volk – ist es eine wichtige Geschichte. Aber … nicht für eine Frau
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