Eternity
hilflose hübsche Mädchen heran. Das ist so sexistisch. Und die Vampire sind die schlimmsten von allen«, fuhr sie fort. »Ist dir schon einmal aufgefallen, dass fast immer junge, schöne Frauen gebissen und in Vampire verwandelt werden? Das liegt daran, wie Van Helsing in Bram Stokers Dracula erklärt, weil die Vampire wissen, dass Familienangehörige zögern, einem hübschen Mädchen den Kopf abzuschlagen, auch wenn es bereits ein Vampir ist. Vermutlich ist es leichter, den eigenen Sohn zu köpfen als die eigene Tochter. Und Vampire wollen das hübsche Mädchen immer zu ihrer untoten Geliebten machen. Oder was noch schlimmer ist, der Vampir will es gar nicht, das Mädchen redet es ihm jedoch ein. So etwas begeistert die Zuschauer, weil tot und mit jemandem zusammen zu sein anscheinend ein glücklicherer Ausgang ist, als alleine weiterzuleben. Aber wie kann der Tod ein Happy End sein?« Meenas Augen blitzten. »Glaub mir. Der Tod ist nie ein Happy End.«
Er musterte sie. Sie hatte den letzten Satz mit großer Leidenschaft hervorgestoßen, und er fragte sich, ob das seltsame Durcheinander in ihrem Kopf etwas damit zu tun hatte.
Vorsichtig fragte er: »Aber du glaubst nicht an Vampire?«
Meena verschluckte sich an ihrem Wein. »W…was?«, stammelte sie. »Hast du mich gerade gefragt, ob ich an Vampire glaube ?«
Lucien blickte in die rubinrote Flüssigkeit in seinem Glas. Er durfte ihr jetzt auf keinen Fall in die Augen sehen, sonst würde er zu viel preisgeben. Ihre dunklen Augen, die so viel zu sehen schienen … und doch so wenig.
»Verzeih mir«, sagte er. »Ich dachte nur, in der Nacht an der Kirche …«
»Oh«, sagte Meena und trank noch einen Schluck Wein. Ihr Glas war fast leer. »Warst du nicht derjenige, der gesagt hat, es seien doch nur ein paar kleine Fledermäuse gewesen?«
Seine eigenen Worte fielen auf ihn zurück. Na ja, wahrscheinlich hatte er es nicht besser verdient.
»Aber du glaubst, dass Johanna von Orléans Stimmen gehört hat«, sagte er. »Stimmen, die ihr die Zukunft voraussagten. Wie kann eine gebildete Frau wie du an so etwas glauben, und nicht an die Geschöpfe der Nacht? Oder …« Er lächelte. »Ziehst du es vor, nur an glückliche Dinge zu glauben, da du ja auch Happy Ends bevorzugst?«
Sie sah ihn scharf an. »Johannas Geschichte endete nicht glücklich«, rief sie ihm ins Gedächtnis. »Und gute Horrorgeschichten finde ich genauso gut wie jeder andere, solange nicht immer nur Mädchen dran glauben müssen. Aber die Stimmen, die Johanna gehört hat, waren real. Es gibt einen klaren Beweis dafür. Sie hat geholfen, Schlachten zu gewinnen, die sonst verloren worden wären, weil diese Stimmen ihr zu Strategien geraten haben, die den französischen Generälen unbekannt
waren, bevor Johanna kam, wie ich schon im Museum erzählt habe. Aufgrund dieser Stimmen konnte sie Menschen das Leben retten.
»Und«, sagte Lucien, ohne sie anzublicken, »es gibt keinen eindeutigen Beweis dafür, dass Vampire real sind?«
»Es gibt zahlreiche Unternehmen, die ein Vermögen damit verdienen, dass viele Leute sie für real halten«, antwortete Meena. »Warum glaubst du, sind unsere Sponsoren so wild darauf, dass wir uns auch auf diesen Markt begeben? Das Geld ist sehr real. Aber seelenlose Untote, die herumlaufen, Leute beißen und ihr Blut trinken, tagsüber nicht ausgehen können, weil die Sonne sie sonst verbrennt, und die in Särgen schlafen müssen? Ich bitte dich.«
»Einige der Mythen sind mit den Jahren übertrieben worden.« Luciens Mundwinkel zuckten. »Manche Autoren – wie dein Mr Stoker zum Beispiel – haben sich zu viele Freiheiten herausgenommen.«
»Vampire, die sich in Fledermäuse verwandeln können«, fügte Meena hinzu.
Lucien schenkte ihr Wein nach. »Also, nur zur Sicherheit: Auch wenn du nie einem begegnet bist – weil sie natürlich nicht existieren –, willst du nichts mit Vampiren zu tun haben?«
Meena biss sich auf die Unterlippe, und Lucien stellte fest, dass sie dadurch noch üppiger und besser duchblutet wurde.
»Das klingt jetzt nach Vorurteilen«, sagte Meena. »Würdest du schlecht von mir denken, wenn ich zugäbe, dass ich auch Werwölfe – oder Hobbits – nicht leiden kann?«
Lucien legte seine Hand auf ihre. Ihre Haut sah verführerisch glatt und weich aus. Und sie fühlte sich so gut an, wie sie aussah.
»Ich könnte nie schlecht von dir denken«, sagte er.
»Oh«, sagte Meena und trank einen großen Schluck Wein.
»Glaub mir, du könntest
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