Eternity
war, wusste, dass Lucien sich falsch verhielt.)
Und als sie mit ihrem Bruder rasch in ihre Wohnung gelaufen war, hatte Lucien einen Moment lang geglaubt, er würde sie davon abbringen, mit ihm spazieren zu gehen. Gut, gut, hatte er gedacht. Er hält mich auf. Das ist auch die Aufgabe eines Bruders.
Aber nein. Es hatte sich herausgestellt, dass der Bruder viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war, um zu begreifen, was vor sich ging. Allerdings fand Lucien sein Urteil über ihn zu hart. Er war schon fast ein halbes Jahrtausend auf dieser Welt, und der Bruder höchstens dreißig Jahre. Er sollte wohl nicht zu streng über ihn urteilen.
Lucien hatte sich selbst einzureden versucht, besser nicht mit ihr zu gehen. Hau einfach ab, hatte er sich gesagt. Nimm die Treppe. Sie ist besser als du, sie versucht, immer alles richtig zu machen, und sie hat es nicht verdient, dass du ihr Leben ruinierst.
Was hatte Mary Lou sich nur dabei gedacht, als sie sie eingeladen hatte?
Mary Lou würde ihr schon irgendeine Geschichte auftischen, wohin er verschwunden war. Meena Harper sollte ihr glückliches kleines Leben weiterführen.
Aber er hatte es nicht gekonnt. Sie faszinierte ihn. Er konnte sich nicht erinnern, wann ihn das letzte Mal eine Frau so neugierig gemacht hatte. Und zudem noch eine menschliche Frau.
Und er fühlte sich absolut zu ihr hingezogen.
Das bedeutete natürlich noch lange nicht, dass er sie verdient
hatte. Er besudelte alles, was er berührte. So waren Vampire eben.
Und doch war er nicht gegangen. Selbst nicht, als er sich klargemacht hatte, dass er keine Ablenkung brauchen konnte; die Tatsache, dass jemand junge Frauen aussaugte und ihre nackten Leichen überall in Manhattan liegen ließ, erforderte seine ganze Aufmerksamkeit.
Ebenso wie die Tatsache, dass jemand versuchte, ihn zu töten. Und dass diese beiden Personen möglicherweise ein und dieselbe Person waren.
Er musste auf jeden Fall einen kühlen Kopf bewahren.
Lucien hatte sich gerade entschlossen, doch über die Treppe zu verschwinden, als ihre Wohnungstür aufgegangen und sie im Flur erschienen war.
Und da hatte er gewusst, dass er auf verlorenem Posten kämpfte. Er würde nirgendwohin gehen. Sie sah aus wie ein wunderschön verpacktes Geschenk.
Und er wollte derjenige sein, der es auspackte.
Am schlimmsten daran war, dass es nicht nur sexuelle Anziehung war. Auch ihr Verstand erregte ihn. Er hatte herausgefunden, dass die Kakophonie in Meena Harpers Kopf kein Anzeichen von Geisteskrankheit war. Nein. Sie verbarg etwas. Etwas, an das sie nicht gerne dachte, etwas, das sie geschickt vor allen versteckte … sogar vor sich selbst.
Es war etwas, so viel wusste er, das sie nicht nur in ihren Träumen, sondern auch am helllichten Tag quälte. Er konnte die mentalen Bilder, die durch ihr Bewusstsein strömten, kaum lesen, weil sie bestimmte schmerzliche Erinnerungen tief darin verbarg, er bekam ihre Gedanken nur als Fetzen mit.
Lucien hatte seine Kräfte nie dazu benutzt, um die wahren Gefühle einer Frau zu ergründen. Das war weder fair noch höflich. Aber in Meenas Fall konnte er nicht anders. Er konnte
ihren lebhaften inneren Monolog nicht ignorieren, er kam jedoch nicht richtig heran. Das machte sie umso faszinierender.
Es war schwer vorstellbar, dass hinter ihrer lebendigen Persönlichkeit etwas so Dunkles lauerte, dass sie es selbst kaum ertragen konnte, daran zu denken, es schien jedoch so zu sein. Und es war genau diese Dunkelheit, die ihn unausweichlich zu ihr hinzog.
War es möglich, dass er einer Frau begegnet war, die das Monster in ihm verstehen konnte, weil sie selbst ein Monster in sich verbarg? Und wenn das so war, warum hatte er dann das Gefühl, dass er in ihrer Süße Erlösung finden könnte? Das war doch nicht möglich. Menschen fanden Erlösung nur bei Gott. Seine Spezies jedoch war von Gott vor Jahrhunderten vergessen worden.
Und doch war in Lucien in dieser Nacht die Überzeugung gewachsen, dass Meena Harper seine Rettung sein könnte. Verlangte er zu viel von einer einzelnen Person … die zudem noch ein Mensch war?
Er wusste es nicht.
Aber er wollte es unbedingt herausfinden.
Im Museum hatte er seine ganze Selbstbeherrschung aufwenden müssen, um die Finger von ihr zu lassen. Mittlerweile war ihm klar, dass er ihr das Porträt gezeigt hatte, um sie vor sich zu warnen, damit sie wusste, auf was sie sich einließ. Wie dumm von ihm.
Für den Bruchteil einer Sekunde war er sich sicher gewesen, dass sie etwas
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