Eternity
geahnt hatte. Aber dann, vor dem Gemälde der heiligen Johanna … Lucien lebte schon lange genug, um zu wissen, dass es so etwas wie Engel oder Heilige nicht gab – auch wenn Meena das anscheinend von der heiligen Johanna gerne glauben wollte.
Wie konnte er Meena nur sein Verlangen erklären? Andererseits
war er nun mal ein Vampir – ihr Hund hatte ihr das die ganze Nacht über schon klarmachen wollen, sie schien es jedoch nicht zu merken. Auch jetzt, als sie sich staunend im Penthouse umblickte, ahnte sie nicht, in welcher Gefahr sie schwebte.
Lucien hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen. Es war nur fair, ihr eine Chance zu geben, sich zu wehren.
»Du hast am Anfang des Abends den Vampirkrieg erwähnt«, sagte er.
Lucien hatte seine Anlage eingeschaltet, als sie hereingekommen waren, und jetzt ertönte über ihren Köpfen leise ein Streichquartett. Er trat an den verchromten Weinkühlschrank und wählte eine Flasche aus. Etwas Leichtes, dachte er, das zu ihr passt. Sie mochte sicher nichts zu Schweres und zu Dunkles.
»Oh«, sagte sie lachend. »Ja. Die Arbeit.« Sie schauderte. »Lass uns nicht davon sprechen. Das macht nur die Stimmung kaputt.«
Er fand einen Pinot Noir, den Emil ausgesucht hatte. Perfekt. »Das tut mir leid«, erwiderte er lächelnd. »Ist es so schlimm?«
»Ziemlich schlimm«, sagte Meena. Sie setzte sich auf einen der lederbezogenen Barhocker. »Ich bin nicht befördert worden, und wir fallen in den Quoten gegen Kanal 4 ab, nur weil die diese schreckliche Monster-Story haben, die die Leute anscheinend lieben.«
Lucien, der gerade Wein einschenkte, hielt inne. »Monster?«, fragte er und zog eine Augenbraue hoch.
Meena hob die Hände und krümmte sie zu Klauen. »Du weißt schon. Vampire.« Sie fletschte die Zähne und zischte wie ein Vampir im Film.
Lucien hätte fast das Glas Wein fallen lassen. Auch ihr Hund war aufgesprungen und bellte mit beeindruckender Wildheit.
»Jack Bauer!« Meena ließ die Hände sinken und drehte sich zu ihrem Hund um. »Entspann dich!« An Lucien gewandt fragte sie: »Hast du einen Hamburger oder so etwas im Kühlschrank?«
Lucien erstarrte. Wenn sie den Kühlschrank öffnete, würde sie seine letzte Schwarzmarktlieferung von der New Yorker Blutbank finden.
»Ich glaube nicht, dass …«, begann er.
»Ach, ist egal«, unterbrach sie ihn. »Ich glaube, ich habe etwas in meiner Tasche. Oh, hier. Hundekuchen. Ich locke ihn einfach ins Badezimmer und sperre ihn dort ein, dann haben wir vielleicht ein bisschen Ruhe.«
Meena glitt von ihrem Barhocker und hielt dem Hund die Hand hin. Er bellte weiter, aber als er den Geruch der Hundekuchen aufgenommen hatte, folgte er ihr bereitwillig zum Badezimmer. Meena spülte eine Seifenschale aus, füllte sie mit Wasser und ordnete die Hundekuchen darum herum an. Sobald Jack Bauer eifrig mit Fressen beschäftigt war, zog sie leise die Tür hinter sich zu.
Lucien bemühte sich, seine Erleichterung darüber, dass er so knapp davongekommen war, nicht zu zeigen. Normalerweise machte er nicht so dumme Sachen, wie Blut in seinem Kühlschrank aufzubewahren, wo jede Frau, die zufällig hineinblickte, es entdecken konnte. Aber er hatte nicht damit gerechnet, in New York mit einer Frau zu schlafen. Er war aus geschäftlichen Gründen hier. Und nur weil Meena Harper so ganz anders als jede andere Frau war, die er je gekannt hatte, hatte er seine persönlichen Verhaltensregeln durchbrochen.
Und fast wäre es ja auch schiefgegangen.
»So«, sagte sie und setzte sich wieder auf den Barhocker. »Entschuldigung. Ich weiß gar nicht, was über ihn gekommen ist. Für gewöhnlich ist er freundlich zu den Leuten, außer bei
deinem Vetter und Mary Lou. Vielleicht hat es ja was mit Sommerresidenzen zu tun. Anscheinend hat Jack Bauer marxistische Ansichten.« Lachend hob sie ihr Glas. »Also.«
»Auf Jack Bauer, den kleinen Marxisten«, sagte Lucien und stieß mit ihr an.
Sie lachte wieder, und ihre großen dunklen Augen strahlten ihn über den Rand des Weinglases an. Er hatte ihr nicht geschmeichelt, als er ihr gesagt hatte, sie sehe wie das Mädchen auf dem Gemälde aus. Eigentlich war sie sogar noch viel hübscher.
Viel hübscher und viel verletzlicher.
»Du magst also keine Vampire?«, fragte er vorsichtig.
Meena lachte. »Nein, nicht sehr. Im Grunde haben sie mir das Leben ruiniert«, erklärte sie. »In Filmen, Büchern und Fernsehserien machen sich die Monster oder die Serienkiller mit der Kettensäge immer an das
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