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Ethik: Grundwissen Philosophie

Ethik: Grundwissen Philosophie

Titel: Ethik: Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Detlef Horster
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bestimmt als das »Zum-Wohl-Beitragen«, und das ist gut für die Menschen. Das allen Werten Zugrundeliegende ist das Gute. Das Gute lässt sich nach Moore definieren. Es handelt sich – wie gesehen – um eine synthetische Definition: Wir können das Gute als das »zum Wohl der Menschen Beitragende« definieren. Können wir das auch bei Normen? William D. Ross hat verschiedene Bereiche genannt, in seiner Terminologie die [118] Prima-facie-Pflichten, in die wir alle moralischen Pflichten einordnen können. (Ross 2002, 21) All diesen moralischen Pflichten liegt die Pflicht zugrunde, das Wohl aller Menschen zu befördern (»there is a positive duty to seek the good of all men«). (Ross 2002, 30) Wenn das geschieht, dann wird das Gute realisiert.
Werte und Normen im Recht
    Dieselben Konsequenzen wie für moralische Normen sehe ich auch für rechtliche. Ein Beispiel aus der deutschen Geschichte: Ratzinger zufolge hat »das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal nach dem Krieg vollkommen zu Recht gesagt: Es gibt Rechte, die von keiner Regierung angetastet werden dürfen. Und wenn auch das ganze Volk es wollte, bliebe es dennoch Unrecht. Deshalb hat man rechtmäßig Menschen verurteilen können, die die Gesetze eines Staates ausgeführt hatten, die formal rechtmäßig zustande gekommen waren. […] Deshalb bin ich mit der ›historisierenden‹ Argumentation nicht einverstanden, nach der es für alle Werte im Laufe der Geschichte eine Gegenposition gegeben habe und nichts, was einer bestimmten Kulturepoche als Verbrechen galt, nicht in einer anderen als positiver Wert verehrt wurde. Diese rein statistische Tatsache beweist nur das Problem der menschlichen Geschichte und die Fehlbarkeit des Menschen.« (Ratzinger 2006, 52)
    Die Basis für die Verurteilung der Kriegsverbrecher bildete das Kontrollratsgesetz Nr. 10 vom 20. Dezember 1945. In dessen Artikel 2 heißt es: »Jeder der folgenden Tatbestände stellt ein Verbrechen dar: […] c)
Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Gewalttaten und Vergehen, einschließlich der folgenden den obigen Tatbestand jedoch nicht erschöpfenden Beispiele: Mord, Ausrottung, Versklavung, Zwangsverschleppung, Freiheitsberaubung, Folterung, Vergewaltigung oder andere an der Zivilbevölkerung begangene unmenschliche [119] Handlungen; Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, ohne Rücksicht darauf, ob sie das nationale Recht des Landes, in welchem die Handlung begangen worden ist, verletzen.«
    Im Urteil wird auf diese Rechtsgrundlage Bezug genommen. Dort heißt es: Der »Gerichtshof hat das Recht, Personen abzuurteilen und zu bestrafen, die durch ihre im Interesse der europäischen Achsenländer ausgeführten Handlungen, sei es als Einzelperson, sei es als Mitglieder von Organisationen, eines der folgenden Verbrechen begangen haben«. Dann folgt die Aufzählung aus dem Kontrollratsgesetz Nr. 10. (Das Urteil von Nürnberg 1946, 13f.)
    Hannah Arendt hat sich zu Recht über die Formulierung aufgeregt, dass es sich hier um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handeln solle. Sie sieht darin eine Verniedlichung. »Als hätten es die Nazis lediglich an ›Menschlichkeit‹ fehlen lassen, als sie Millionen in die Gaskammern schickten, wahrhaftig
das
Understatement des Jahrhunderts.« (Arendt 1987, 324) Diese Morde sind in der Tat ein Verbrechen an der gesamten Menschheit, auch an denen, die nicht unmittelbar betroffen waren oder sind. Es ist ein Angriff auf die Menschheit insgesamt, weil »die völkerrechtliche Ordnung der Welt und die Menschheit im ganzen dadurch aufs schwerste verletzt und gefährdet sind« (Arendt 1987, 325). Festzuhalten ist, dass es objektive und universelle Werte gibt, die auf die genannte Weise, doch nicht nur auf diese Weise verletzt werden können. Folglich geht die Geltendmachung des Rückwirkungsverbots (»Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde«) seitens der Verteidiger im Nürnberger Prozess ins Leere. Die Angeklagten sind nicht aufgrund eines Gesetzes, das erst nach Begehung der Taten erlassen wurde, bestraft worden, sondern aufgrund von immer schon bestehenden Normen, die Verbrechen gegen die Menschheit verbieten, und die heute in der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« festgehalten sind.
    [120] Der Ursprung der objektiven und universellen Werte und Normen muss den Philosophen ebenso wenig interessieren wie den Naturwissenschaftler der Ursprung der Gravitation. Er hat

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