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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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die Exaltation und die Seufzer, die einer unerreichbaren Herzensdame gelten. Das, Monika, ist ein Lied von erfüllter Liebe, von der einzigen Liebe, die Sinn hat, die freudvoll ist. Eine schöne Episode, auf schöne Weise beschrieben. Dieses Lied singt ein Mädchen, das zusammen mit dem Geliebten auf einem Bett von Blumen gelegen hat   … Mein Gott, wie hübsch du errötest. Sie war mit dem Geliebten zusammen und ist glücklich, und sie will es der ganzen Welt verkünden, sie möchte, dass alle die in die Blumen gedrückte Spur ihres Kopfes sehen, dass alle von ihrem Glück erfahren.«
    »Es ist schon schrecklich spät, Jacek. Und mir tut ein bisschen der Kopf weh.«
    »Die letzte Strophe, Monika.«
    »Ich erinnere mich nicht an die Übersetzung   …«
    »Lies sie im Original. Aber lies mit der Stimme eines glücklichen Mädchens. Bitte.«
     
    Daz er bi mir læge,
    wessez iemen
    (nu enwelle got!), sô schamt ich mich.
    Wes er mit mir phlæge,
    niemer niemen
    bevinde daz, wan er und ich.
    Und ein kleinez vogelîn:
    tandaradei,
    Daz mac wol getriuwe sîn.
     
    »Du faszinierst mich, Monika.«
    »Hör auf, Jacek. Ich bitte dich.«
    »Du bist bezaubernd, weißt du das? Du hast eine Menge Zauber in dir. Ich verliere deinetwegen allmählichden Verstand. Ich weiß nicht, wieso, aber ich muss immerzu an dich denken.«
    »Jacek   … Du bringst mich in Verlegenheit.«
    »Monika   … Wenn ich die Augen schließe, sehe ich dein Gesicht, dein Lächeln. Ich fühle dann, wie etwas in mir erbebt, wie etwas mir die Kehle zuschnürt   …«
    »Bitte, nicht. Geh jetzt. Es ist schon sehr spät, Elka wird gleich wiederkommen.«
    »Noch einen Moment   …«
    »Nein, bitte. Bis morgen. Jacek.«
    »Sag es mir.«
    »Was?«
    »Dass du mich gernhast, Monika.«
    (Ich?)
    »Monika.«
    »Ich hab dich gern.«
     
    Der Minnesänger ist schmächtig, dünn, feingliedrig, der Wind zerrt an seinem schwarzen Umhang. Wo kommt dieser Wind her, hier im Thronsaal, wo nicht einmal die Kerzenflammen zittern, nicht die langen Schleier an den Hennins der gebannt lauschenden, in die Lautenklänge versunkenen Damen? Aber hinter dem Rücken des Minnesängers hängt nicht mehr der Wandtepppich mit dem Einhorn, dort stehen nicht mehr die Säulen und fehlen die Spitzbögen der Buntglasfenster. Hinter seinem Rücken liegen der Abhang und der schwarze Wald.
    Die Augen des Minnesängers flammen im Halbdunkel, lodern mit einem schwarzen Feuer. In seinem Gesicht gibt es nichts, nichts als diese Augen, diese Glut.
    Gib die Hand.
    Eine Vergessene. Kein Zweifel. Dich zieht der
Fluss
an, dieser Hügel zieht euch an. Gib die Hand.
Sieh, wie ist so rot mein Mund.
    Man sieht auf den ersten Blick, dass diese Anhöhe nicht natürlich ist. Hier, am beherrschenden Ort, befand sich sicherlich eine Burg, die die Furt bewachte. Ein Heiligtum, ein Tempel, ein Opferaltar   …
    Nein, schreit Elka, genannt das Schneehuhn. Nein, dort gehe ich um nichts in der Welt hin, seht doch, wie grauenhaft finster dieser Wald ist, wie nass es dort ist, da gibt es Spinnen, ich fürchte mich vor Spinnen.
    Gib die Hand. Du faszinierst mich. Die übrigen lachen, klatschen, die Pelzmasken auf ihren Köpfen wippen komisch mit den riesigen Ohren.
Zernebock, der Schwartze Wahnsinn
, schreit Elka, bis zum Gürtel nackt.
    Gib die Hand.
    Nein! Flieh! Helle Augen, fast durchsichtig. Kehre nicht hierher zurück, sonst entflammst du, verlöschst, wird der Rost dich zerfressen.
    Monika, Monika, dass ich bin selig immerfort. Du bist bezaubernd, weißt du das?
    Ich weiß.
    Eine Vergessene. Mein Gott, wie hübsch du errötest. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich dein Gesicht, dein Lächeln. Das Rot deines Mundes.
    Gib die Hand.
    Ein Sumpf, eine schwarzes, glänzendes Moor, mit Wasserlinsen bewachsen, durchzogen von trägen Wellen zwischen den Bläschen, die an der öligen Oberfläche platzen. Ein Abgrund, in dessen Tiefe die Tausend Stufen führen. Und am Grunde etwas, das ein unentschlüsseltes Geheimnis ist, etwas, das zuckt, schlägt und pulsiert. Und darauf wartet, gerufen zu werden.
    Tandaradei!
    Du wirst entflammen. Du wirst verlöschen. Der Rost wird dich zerfressen.
     
    Sie erwachte.
    Wie sie so auf dem schweißnassen, verrutschten, zerknitterten Laken lag, konnte sie lange nicht einschlafen, versuchte vergebens, die Splitter des Traums, an den sie sich nicht erinnerte, zu einem Ganzen zusammenzufügen.
     
    Tags darauf stieg die ganze Korona wie üblich freudig und fröhlich in die Autos, um wie

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