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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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gibt Kraft. Die Wahrheit ist Kraft. Und du möchtest stark sein, es verlangt dich nach Kraft und Herrschaft. Gib die Hand.
    Nein! Helle Augen, fast durchsichtig.
    Steh auf. Komm mit mir, um die Wahrheit zu erfahren. Ich werde dir zeigen, wie die Wahrheit aussieht.
    Gib die Hand.
    Sie erwachte.
     
    Ich muss aufstehen und hinausgehen, dachte sie nüchtern, sofort. Ich muss aufstehen und hinausgehen. Dann werde ich die Wahrheit erfahren. So hat er es gesagt:
Die Wahrheit.
    (Die Wahrheyt?)
    Monika Szreder stand auf, trat geradezu in die Pfütze von auf dem Boden vergossenem Mondlicht.
     
    »Na, und wie war’s?«
    »Versuchst du, mir Komplimente abzunötigen?«
    »Aha.«
    »Das männliche Ego, nicht wahr? Also gut: Es war himmlisch. So eine Antwort passt in die Konvention, nehme ich an? He, hör auf! Was machst du, du Irrer?«
    »Ich ändere die Konvention.«
    »He! Das soll eine Änderung sein? Ich merke keinen Unterschied.«
    »Du wirst unanständig unanständig.«
    »Das musst du gerade sagen. Mmmm. Gefällt dir das?«
    »Soll ich gemäß der Konvention antworten?«
    »Du brauchst überhaupt nicht zu antworten. Lass Taten sprechen.«
    »Wofür hältst du mich? Einen
clockwork lover
? Auf Bestellung?«
    »Du hast dir größte Mühe gegeben, mich genau so von dir denken zu lassen, also keine Ausflüchte. Ich nehme mir übrigens sowieso, was ich will, so bin ich nun mal. Beweg dich nicht.«
    »So?«
    »Mmmm. Ooooch!«
    »Was ist?«
    »Eine Mücke hat mich in den Hintern gestochen.«
    »Gleich fang ich den Wüstling und zerquetsche ihn. Was denkt der sich   – dass das eine
menage à trois
ist? Wo hat er dich gestochen? Hier? Nicht dumm, das Insekt.«
    »Aiii!«
    »Elka?«
    »Mmmmm?«
    »Warum nennen sie dich das Schneehuhn?«
    »Wir haben mal im Zug ein Kreuzworträtsel gemacht, da gab es eine Stelle, mit der niemand zurechtkam. Senkrecht, zehn Buchstaben. Vogel in den Mooren und Tundren des Nordens. Und ich hab’s rausgekriegt.«
    »Elka   …«
    »Och   … Mmmm   … Jacek   …«
    Monika, an die Wand gleich neben dem angekippten Fenster gepresst, zitterte vor Abscheu. Sie wollte weggehen. Sie konnte nicht.
    »Jacek?«
    »Mhm?«
    »Und Monika?«
    »Was ist mit Monika?«
    »Du weißt genau, was ich meine. Denkst du, es merkt niemand, wie du sie bezirzt? Wie du um sie herumscharwenzelst?«
    »O Gott, Schneehuhn. Zieh keine voreiligen und banalen Schlüsse. Sie tut mir leid, das ist alles. Ich möchte, dass sie einen netten Urlaub hat. So eine braucht ein bisschen Bewunderung. Ab und zu muss man so einer sagen, dass sie schön ist, dann wird sie tatsächlich schöner. Im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten.«
    »Noch besser ist es, mit so einer zu schlafen, dann wird sie noch schöner. Meinst du das?«
    »Ha! Dass ich nicht gleich daran gedacht habe. Diesem Umstand habe ich also unser sympathisches Abenteuer zu verdanken, Elka? Wirklich, die Anspielung ist nicht schwer zu verstehen.«
    »Also jetzt wirst du banal, wenn du mir Eifersucht unterstellst. Schlimmer noch, Neid. Und auf wen? Auf so eine graue Maus. Mein Gott. Spiel nicht den Pygmalion. Du bist mir vielleicht ein Wohltäter. Ich meine das völlig ernst, schlaf mit ihr. Wenn du das nicht tust, verdirbst du ihr den Urlaub. Lässt ihr ein Gefühl der Unbefriedigung. Schlaf mit ihr, Jacek.«
    »Der Haken ist, dass ich nicht will. Es zieht mich nichts zu ihr.«
    »Was soll das sein,
l’art pour l’art
? Wirklich, ein Pygmalion. Ein Professor Higgins für Arme.«
    »Sie ist   … unansehnlich. Einfach unansehnlich. Und asexuell.«
    »Egoist. Opfere dich auf und tu es nur für sie. Mach die Augen zu und denk an England. Aber ich denke, du lügst. Gerade dass sie so eine graue Maus ist, macht dich an.«
    »Elka, finden wir wirklich kein dankbareres Gesprächsthema?«
    »Ich denke, Junge, wir vergeuden überhaupt zu viel Zeit aufs Reden.«
    »Elka!«
    »Mmmmmm.«
     
    Sie lief aufs Geratewohl, blindlings durch den Wald, stieß gegen Bäume, verhakte sich in Brombeersträuchern, stolperte über Löcher im Boden, über Wurzeln, über herabgefallene Äste. Sie lief, um die Abscheu, die Erniedrigung möglichst weit hinter sich zu lassen, von der ihr das Gesicht angeschwollen war, die Scham, von der es ihr in den Schläfen pochte. Um das alles möglichst weit hinter sich zu lassen   …
    Ich werde nicht weinen. Werde ich nicht. Nein. Nein. Nein.
    Ein Zweig, elastisch und beißend wie eine Peitsche, hieb ihr über die Wange, erfüllte die Augen mit nassem,

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