Etwas Endet, Etwas Beginnt
…«
»He« – der Dichter stieß ihm den Ellenbogen in die Seite –, »lass den Kopf nicht hängen, Söhnchen. Woher diese verdammte Melancholie? Du bist auf einer Hochzeit, amüsier dich, trink, sing. Du bist jung, das Leben liegt vor dir.«
»Das Leben«, wiederholte der Ritter nachdenklich. »Wie ist das, Herr Rittersporn? Beginnt etwas, oder geht etwas zu Ende?«
Rittersporn warf ihm einen raschen und ernsten Blick zu. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Und wenn ich es nicht weiß, weiß es niemand. Schlussfolgerung: Nichts endet jemals, und nichts beginnt.«
»Ich verstehe nicht.«
»Brauchst du auch nicht.«
Galahad dachte erneut nach, rieb sich die Stirn.
»Und der Gral?«, fragte er schließlich. »Was ist mit dem Gral?«
»Was ist der Gral?«
»Etwas, das man sucht.« Galahad blickte den Dichterverträumt an. »Etwas, das am wichtigsten ist. Etwas, ohne das das Leben keinen Sinn mehr hat. Etwas, ohne das man unvollständig, unfertig, unvollkommen ist.«
Der Dichter schürzte die Lippen und bedachte den Ritter mit seinem berühmten Blick, in dem sich Geduld mit fröhlichem Wohlwollen mischten. »Den ganzen Abend«, sagte er, »hast du neben deinem Gral gesessen, du Trottel.«
XIV
Gegen Mitternacht, als die Gäste schon gründlich begonnen hatten, sich selbst zu genügen, und Geralt und Yennefer, von den zeremoniellen Pflichten befreit, einander in Ruhe in die Augen schauen konnten, wurde die Tür krachend geöffnet, und in die Halle trat der Räuber Vissing, allgemein bekannt unter dem Spitznamen Zappzerapp. Zappzerapp war ungefähr zwei Meter groß, hatte einen Bart bis zum Gürtel und eine Nase von der Farbe und Form eines Rettichs. Auf der einen Schulter trug der Räuber seine berühmte Keule Hälmchen, auf der anderen einen riesigen Sack.
Geralt und Yennefer kannten Zappzerapp schon seit langem. Keiner von beiden hatte jedoch daran gedacht, ihn einzuladen. Das war offensichtlich Rittersporns Werk.
»Grüß dich, Vissing«, sagte die Zauberin lächelnd. »Schön, dass du an uns gedacht hast. Mach es dir bequem.«
Der Räuber verbeugte sich würdevoll, auf Hälmchen gestützt. »Viele Jahre Freude und einen Haufen Kinder«, verkündete er laut. »Das wünsche ich euch, meine Lieben. Hundert Jahre im Glück, ach was sag ich, zweihundert,verdammich, zweihundert! Ach, wie ich mich freue, Geralt, und Ihr, Frau Yennefer. Ich habe immer geglaubt, dass ihr heiraten werdet, obwohl ihr euch immer gezankt und gebissen habt wie die Hunde – ohne das vergleichen zu wollen. Ach, verdammich, was rede ich …«
»Willkommen, willkommen, Vissing«, sagte der Hexer und schenkte Wein in den größten Pokal, der in Reichweite stand. »Trink auf unser Wohl. Wo kommst du her? Es heißt, du sitzt im Knast.«
»Ich bin rausgekommen.« Zappzerapp trank auf einen Zug aus, atmete tief durch. »Ich bin gegen diese, wie heißt das doch, verdammich, Kaution rausgekommen. Und das, meine Lieben, ist mein Geschenk für euch. Nehmt.«
»Was ist das?«, murmelte Geralt und musterte den großen Sack, in dem sich etwas bewegte.
»Den hab ich unterwegs gefangen«, sagte Zappzerapp. »Hab ihn auf dem Blumenbeet erwischt, wo dieses nackte Weib steht, das aus Stein gehauene. Ihr wisst, die, wo die Tauben vollgeschissen haben …«
»Was ist in diesem Sack?«
»Ach, so ein, wie soll ich sagen, Teufel. Den hab ich für euch gefangen, als Geschenk. Habt ihr hier einen Tierzwinger? Nein? Dann stopft ihn euch aus und hängt ihn in der Diele auf, da werden eure Gäste staunen. Ist ein schlaues Vieh, sag ich euch, dieser Teufel. Er sagt, er heißt Schuttenbach.«
»Der goldene Nachmittag«
wurde eigens für die Anthologie
Dreizehn Katzen
geschrieben, die der Verlag SuperNOWA im Jahre 1997 herausbrachte. Über die Genese dieser Anthologie kursieren allerlei Gerüchte, auch beanspruchen zahlreiche Personen die Ehre, die Idee und die Inspiration dazu geliefert zu haben. Die Wahrheit jedoch kenne – mit Verlaub – nur ich, und die geht so: Mirosław Kowalski, der Chef der SuperNOWA, brachte 1995 ein Buch Tadeusz Konwickis mit dem Titel
Pamphlet gegen mich selbst
heraus. In diesem Buch widmete Herr Thaddäus viele warmherzige Worte seinem Kater Iwan, der bereits durch
Kalender und Sanduhr
berühmt geworden war und zu jenem Zeitpunkt schon nicht mehr lebte.
»Ihr Phantastik-Autoren«, sagte mir Meister Kowalski einmal, stark gedopt von Danuta Górska, einer hervorragenden Übersetzerin und ebenso großen
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