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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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im
Land
eingetroffen! Wir wollen alle fröhöhlich sein! Wir haben einen Gast, Chester! Einen richtigen Gast!«
    »Hast du ihn mit eigenen Augen gesehen?«
    »Nein   …« Er kam aus dem Konzept, wackelte mit den großen Ohren und bewegte komisch die glänzende Knopfnase. »Gesehen habe ich ihn nicht. Aber Johnny Caterpillar hat mir davon erzählt.«
    Einen Moment lang hatte ich Lust, ihn streng und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen zurechtzuweisen, dass er meine Siesta unterbrochen hatte, indem er unbestätigte Gerüchte verbreitete, ich hielt mich jedoch zurück. Erstens hatte Johnny »Blue« Caterpillar eine Menge Fehler, aber die Neigung zu Geschwätz und Phantastereien gehörte nicht dazu. Zweitens waren Gäste im
Land
wirklich ziemlich selten, in der Regel nervtötend, aber nichtsdestoweniger kommen sie durchaus regelmäßig vor. Ihr werdet es nicht glauben, aber uns ist sogar schon ein Inka untergekommen, durch und durch benebelt von Coca-Blättern oder einem anderen präkolumbianischen Dreckszeug. Mit dem war es vielleicht eine Hetz! Er trieb sich in der ganzen Gegend umher, legte sich mit allen an, redete in einem Dialekt, den niemand verstand, schrie, spuckte, sprühte Speichel, drohte uns mit einem Obsidianmesser. Aber baldverschwand er wieder, für immer, wie sie alle. Er verschwand auf eine spektakuläre, grausame und blutige Weise. Mit ihm befasste sich Königin Mab. Und ihre Begleitung, die sich gern mit dem Namen »Gebieter der Herzen« schmückt. Wir nennen sie einfach Herz oder Rot.
Les Cœurs.
    »Ich fliege weiter«, erklärte Radetzky plötzlich. »Ich fliege und informiere die anderen. Über den Gast, meine ich. Mach’s gut, Chester.«
    Ich streckte mich auf dem Ast aus, ohne ihn einer Antwort zu würdigen. Er verdiente keinerlei Herablassung. Letzten Endes war ich ein Kater und er nur eine fliegende Maus, die vergebens versucht, wie eine Miniaturausgabe von Graf Dracula auszusehen.
     
    Was kann schlimmer sein als ein Idiot im Wald?
    Wer von euch jetzt gerufen hat: »Nichts!«, der hat sich geirrt. Es gibt etwas, was schlimmer ist als ein Idiot im Wald.
    Und zwar eine Idiotin im Wald.
    Eine Idiotin im Wald   – aufgemerkt!   – kann man an folgenden Dingen erkennen: Man hört sie aus einer halben Meile Entfernung, alle drei, vier Schritte macht sie einen uneleganten Sprung, sie summt vor sich hin, führt Selbstgespräche; die auf dem Weg liegenden Tannenzapfen versucht sie mit dem Fuß wegzuschießen, ohne einen einzigen zu treffen.
    Und wenn sie euch sieht, wie ihr so auf eurem Ast liegt, sagt sie: »Och!«, worauf sie euch schamlos anstarrt.
    »Och«, sagte die Idiotin, warf den Kopf zurück und starrte mich schamlos an. »Grüß dich, Kater.«
    Ich grinste, und die Idiotin, die ohnehin schon ungesund blass war, erbleichte noch mehr und nahm die Händchen auf den Rücken. Um ihr Zittern zu verbergen.
    »Guten Tag, Herr Kater«, stotterte sie, worauf sie einen ungeschickten Knicks machte.
    »Bonjour, ma fille«,
antwortete ich und grinste immer noch. Das Französisch sollte, wie ihr euch denken könnt, die Idiotin aus der Fassung bringen. Ich hatte noch nicht entschieden, was ich mit ihr machen würde, konnte mir aber den Spaß nicht versagen. Und eine verwirrte Idiotin ist sehr spaßig.
    »Où est ma chatte?«,
piepste die Idiotin plötzlich.
    Wie ihr euch denken könnt, war das keine Konversation. Es war der erste Satz aus ihrem Französischlehrbuch. Trotzdem eine interessante Reaktion.
    Ich korrigierte meine Position auf dem Ast. Langsam, um die Idiotin nicht scheu zu machen. Wie gesagt, ich hatte mich noch nicht entschieden. Ich hatte keine Angst, mich mit Les Cœurs anzulegen, die sich das alleinige Recht anmaßten, Gäste zu vernichten, und sehr unangenehm wurden, wenn es jemand wagte, es ihnen streitig zu machen. Ich als Kater pfiff natürlich auf ihre Vorrechte. Genau genommen, pfiff ich auf alle Rechte. Darum hatte ich schon einige kleinere Zusammenstöße mit Les Cœurs und ihrer Königin, der rothaarigen Mab. Ich hatte keine Angst davor. Ich provozierte sie geradezu, wann immer ich Lust hatte. Jetzt allerdings verspürte ich keine besondere Lust. Aber meine Position auf dem Ast korrigierte ich. Gegebenenfalls wollte ich die Sache lieber mit einem einzigen Sprung erledigen, denn ich hatte nicht die Bohne Lust, der Idiotin durch den Wald nachzujagen.
    »Noch nie im Leben«, sagte das Mädchen mit leicht bebender Stimme, »habe ich einen Kater gesehen, der grinst. Auf diese

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