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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Nacht vom 23. zum 24.   August 1572.
    Aber ich hatte Glück. Ich kam an den richtigen Ort.
     
    Der Hutmacher hatte sich nicht geirrt und auch nicht übertrieben, als er die ganze widerwärtige Bande Effekthascher genannt hatte. Sie taten alles mit Effekt und für den Effekt. Immer. Diesmal war es ebenso.
    Ein zwischen Akazien gelegener Rasen sollte ein Croquetfeld vorstellen, dem Effekt zuliebe waren darauf sogar die kleinen halbrunden Tore aufgestellt, die im Jargon der Croquetspieler
arches
heißen. Les Cœurs   – ungefähr zehn an der Zahl   – hielten die Requisiten in den Händen: die Schläger,
mallets
genannt, und auf dem Gras lag etwas, das die Bälle imitieren sollte, aber ganz wie zusammengerollte Igel aussah. Das Wort bei der Bande führte natürlich die flammend rothaarige Mab, gekleidet in karminroten Atlas und behängt mit aufdringlicher Bijouterie. Mit erhobener Stimme und herrischen Gesten zeigte sie, welche Plätze Les Cœurs einnehmen sollten. Eine Hand hatte sie dabei auf dem Arm von Alice Liddell. Das Mädchen betrachtete die Königin und die Vorbereitungen mit lebhaftem Interesse und feurigen Wangen. Sie begriff offensichtlich nicht, dass kein Spiel bevorstand, sondern eine sadistische und effekthascherische Exekution.
    Mein unerwartetes Erscheinen rief   – wie üblich   – eine leichte Bewegung und Raunen bei Les Cœurs hervor, deren Mab jedoch alsbald Herr wurde.
    »Tut mir leid, Chester«, sagte sie kalt, wobei sie mit den ringbewehrten Fingern die Falbeln an Alices Ärmel zerknüllte. »Es tut mir sehr leid, aber wir haben die Spieler schon komplett. Unter anderem deswegen hat man dir keine Einladung geschickt.«
    »Macht nichts.« Ich gähnte und zeigte Schneidezähne, Eckzähne, Reißzähne, Mahlzähne und Backenzähne, alles in allem eine ganze Menge Zahnbein und Schmelz. »Macht nichts, Euer Majestät, ich hätte sowieso absagen müssen. Ich mache mir nichts aus Croquet, ich ziehe andere Spiele und Vergnügungen vor. Was indes die kompletten Mannschaften angeht, will ich doch annehmen, dass ihr auch Reservespieler habt?«
    Mab kniff die Augen zusammen. »Und was könnte es dich angehen, ob wir welche haben?«
    »Ich muss leider Fräulein Liddell hier wegholen. Ich gehe davon aus, dass ich euch das Vergnügen nicht verderbe.«
    »Aha.« Mab erwiderte meine Vorführung des Zahnbestandes mit der schwachen Imitation eines Lächelns. »Aha. Verstehe. Erklär mir aber, warum muss unser alter Streit um die Hegemonie darauf hinauslaufen, dass wir uns gegenseitig die Spielzeuge wegnehmen? Müssen wir uns wie Kinder benehmen? Können wir nicht Zeit und Ort vereinbaren und erledigen, was erledigt werden muss? Könntest du mir das erklären, Chester?«
    »Mab«, entgegnete ich. »Wenn du diskutieren willst, dann lege Zeit und Ort fest. Rechtzeitig vorher. Heute bin ich nicht in Stimmung für einen Disput. Außerdem warten die Spieler. Ich werde also Miss Liddell mitnehmen und verschwinden, mich nicht länger aufdrängen.«
    »Von wieso«   – wenn Mab die Nerven verliert, spricht sie irgendein grässliches
argot
– »und für wozu brauchst du dieses Kind, verdammter Kater? Warum liegt dir so viel an ihm? Aber vielleicht geht es dir gar nicht um dieses Kind? Was? Antworte mir!«
    »Ich sagte, ich habe keine Lust zu diskutieren. Das gilt auch für Antworten auf Fragen. Komm her, Alice.«
    »Wag ja nicht, dich von der Stelle zu rühren, Rotznase.« Mab krallte die Finger in Alices Arm, und das Gesicht des Mädchens verzog sich vor Schmerz und wurde bleich. Der Ausdruck seiner dunklen Augen ließ erkennen, dass es anscheinend zu begreifen begann, was hier gespielt wurde.
    »Eure Majestät«   – ich schaute mich um und stellte fest, dass Les Cœurs mich langsam umzingelten   – »wollen gnädigst das Händchen vom Arm dieses Kindes nehmen. Unverzüglich. Desgleichen wollen Euer Majestät gnädigst ihre Dienerschaft instruieren, sich auf den protokollarisch vorgesehenen Abstand zurückzuziehen.«
    »Tatsächlich?« Mab ließ weitere Zähne sehen. »Und wenn ich es nicht gnädigst will, was dann, wenn ich fragen darf?«
    »Darfst du. Dann, rothaarige Vettel, verhalte ich mich auch nicht protokollgerecht. Ich werde eurer ganzen beschissenen Bande die Kaldaunen herausreißen.«
    Und damit war das Reden zu Ende. Les Cœurs stürzten sich einfach auf mich, ohne abzuwarten, dass Mabs Schrei verhallte und ihre beringte Hand die herrische Geste vollendete. Sie stürzten sich allesamt auf

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