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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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ist dein Privileg, Fürst«, sagte sie sanft. »Ich kann nur danken   … für die Gunst. Ich liebe dieses Kind.«
    »Das war keine Gunst. Danke also nicht, sondern geh an die Arbeit.«
    »Ich?« Fast wäre sie hochgesprungen. »Ich soll sie heilen? Das ist doch gewöhnlichen Katzen verboten! Ich dachte, Euer Hoheit würden selbst die Güte haben   … Übrigens, ich könnte es nicht   …«
    »Erstens gibt es keine gewöhnlichen Katzen. Zweitens steht es mir frei, jedes Verbot zu brechen. Hiermit breche ich es. Geh an die Arbeit.«
    »Aber   …« Venera wandte den Blick nicht von mir, in ihren Augen erschien plötzlich Furcht. »Aber   … Wenn ich die Krankheit aus ihr herausschnurre, dann werde ich   …«
    »Ja«, bestätigte ich beiläufig. »Du wirst anstelle von ihr sterben.«
    Du sagst, dass du dieses Mädchen liebst. Beweise es. Du hast vielleicht gedacht, es genügt, ihr auf dem Schoß zu liegen, zu schnurren und sich streicheln zu lassen? Die Überzeugung zu stärken, dass Katzen falsch sind, dass sie sich nicht an Menschen binden, sondern ausschließlich an Orte?
    Es war natürlich unter meiner Würde, Venera Whiteblack solche Banalitäten zu sagen. Und es war durchaus unnötig. Hinter mir stand die Macht der Autorität. Der einzigen Autorität, die eine Katze akzeptiert. Venera Whiteblack miaute leise, sprang Alice auf die Brust, begann mit den Pfoten kräftig die Bettdecke zusammenzudrücken. Ich hörte die leisen Geräusche der Krallen, die durch den Damast rissen. Nachdem sie die richtige Stelle erfühlt hatte, legte sich die Katze hin und fing an, laut zu schnurren. Obwohl es ihr sichtlich an Übung fehlte, machte sie das hervorragend. Ich spürte geradezu, wie sie mit jedem Laut aus der Kranken herauszog, was herausgezogen werden musste.
    Ich störte sie natürlich nicht. Ich hielt Wache, dass niemand anders sie störte. Wie sich zeigte, tat ich gut daran.
    Die Tür wurde leise geöffnet, und ins Zimmer trat jener blasse Brünette, Charles Ludwig oder Ludwig Charles, hab’s vergessen. Er kam mit gesenktem Kopf herein, ganz krumm und erfüllt von Trauer und Schuldgefühlen. Erbemerkte sofort die auf Alices Brust liegende Venera Whiteblack und kam sofort zu dem Schluss, er habe jemanden, dem er die Schuld zuschieben könne.
    »Heda   …. Kkk-katze«, begann er zu stottern. »Kusch! Geh sooo-sofort von dem Bett!«
    Er machte noch zwei Schritte, schaute zu dem Sessel, auf dem ich lag. Und er erblickte mich   – oder vielleicht weniger mich als mein Grinsen, das in der Luft schwebte. Ich weiß nicht, welchem Wunder er das verdankte, doch er sah es. Und erbleichte. Schüttelte den Kopf. Rieb sich die Augen. Leckte sich die Lippen. Und dann streckte er die Hand nach mir aus.
    »Fass mich an«, sagte ich so lieblich, wie ich nur konnte. »Fass mich nur an, und für den Rest deines Lebens wirst du dir die Nase mit einer Prothese putzen.«
    »Wer biii…«, stotterte er los, »biii…st du?«
    »Mein Name ist Legion«, antwortete ich gleichgültig. »Für meine Freunde Malignus,
princeps potestatis aeris
. Ich bin einer von jenen, die ihre Kreise ziehen und Ausschau halten,
quaerens quem devoret
. Zu eurem Glück sind es in der Regel Mäuse, was wir fressen wollen. Aber an deiner Stelle würde ich keine übereilten und zu weit gehenden Schlussfolgerungen ziehen.«
    »Das kkk…« Diesmal stotterte er so heftig, dass ihm beinahe die Augen heraussprangen. »Das kkkann nnnicht   …«
    »Kann es, kann es«, versicherte ich, noch immer mit weißem und scharfem Grinsen. »Bleib, wo du stehst. Beschränke deine Aktivität auf ein Minimum, und ich schenke dir die Gesundheit.
Parole d’honneur.
Hast du verstanden, was ich sagte, Zweibeiner? Das Einzige, was du bewegen darfst, sind die Lider und die Augäpfel. Ich erlaube dir auch, vorsichtig ein- und auszuatmen.«
    »Aber   …«
    »Reden erlaube ich nicht. Schweig und beweg dich nicht, als ob dein Leben davon abhinge. Es hängt nämlich davon ab.«
    Er begriff. Er stand da, schwitzte schweigend, schaute mich an und dachte intensiv nach. Er hatte sehr verwickelte Gedanken. Solche hätte ich bei einem Mathematikdozenten nicht erwartet. Unterdessen tat Venera Whiteblack das Ihre, und die Luft vibrierte geradezu von der Magie ihres Schnurrens. Alice bewegte sich, stöhnte. Die Katze beruhigte sie, indem sie ihr leicht eine Pfote aufs Gesicht legte. Charles Lutwidge Dodgson   – sein Name war mir wieder eingefallen   – erbebte bei diesem

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