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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Anblick.
    »Ruhig«, sagte ich unerwartet sanft. »Hier wird geheilt. Das ist eine Therapie. Hab Geduld.«
    Er betrachtete mich einen Moment lang.
    »Du bist mmm…meine eigene Phantasie«, murmelte er schließlich. »Es hat keinen Sinn, mmm…mit dir zu reden.«
    »Wie recht du hast.«
    »Das«   – er zeigte mit einer leichten Kopfbewegung zum Bett hin   – »soll eine Therapie sein? Eine Kkk… katzentherapie?«
    »Erraten.«
    »Though this be madness«,
brachte er hervor, wundersamerweise ohne zu stottern,
»yet there is method in’t.«
    »Du hast schon wieder recht.«
    Wir warteten.
    Schließlich hörte Venera Whiteblack auf zu schnurren, legte sich auf die Seite, rollte sich zusammen und fuhr sich ein paarmal mit der kleinen rosa Zunge durchs Fell. »Das war’s wohl«, erklärte sie unsicher. »Ich habe alles herausgezogen. Das Gift, die Krankheit und das Fieber. Sie hatte noch etwas im Knochenmark, ich weiß nicht, was daswar. Aber sicherheitshalber habe ich es auch herausgezogen.«
    »Brava,
My Lady.
«
    »Your Grace?«
    »Ja?«
    »Ich lebe immer noch.«
    »Du hast doch wohl nicht geglaubt«   – ich lächelte herablassend   –, »ich würde dich sterben lassen?«
    Die Katze zog mit stummem Dank die Augen zusammen. Charles Lutwidge Dodgson, der seit einer ganzen Weile unsere Maßnahmen mit unruhigem Blick verfolgte, räusperte sich plötzlich laut.
    Ich schaute ihn an. »Rede«, erlaubte ich großmütig. »Aber stottere bitte nicht.«
    »Ich weiß nicht, welches Ritual hier stattfindet«, begann er leise. »Aber es gibt Dinge im Himmel und auf Erden   …«
    »Also komm zur Sache.«
    »Alice ist immer noch bewusstlos.«
    Ha. Er hatte recht. Es sah danach aus, dass die Operation gelungen war. Aber nur den Ärzten.
Medice, cura te ipsum,
dachte ich. Ich zögerte zu sprechen, während ich den fragenden Blick der Katze und den unruhigen des Mathematikdozenten auf mir spürte. Ich erwog verschiedene Möglichkeiten. Eine davon war, mit den Schultern zu zucken und meiner Wege zu gehen. Aber ich hatte mich in dieser Geschichte schon zu stark engagiert, ich konnte jetzt nicht zurück. Die Flasche, um die ich mit dem Schnapphasen gewettet hatte, war eins, aber das Prestige   …
    Ich dachte intensiv nach. Dabei wurde ich gestört.
    Charles Lutwidge sprang plötzlich hoch, und Venera Whiteblack spannte sich und hob ruckartig den Kopf. Auf dem Blumenmuster der viktorianischen Tapete tanzte rasch ein unsteter Schatten.
    »Haa-haa!«, piepste der Schatten und flatterte um die Deckenlampe. »Ob Katzen Fledermäuse atzen?«
    Venera legte die Ohren an, zischte, machte einen Buckel, fauchte wütend. Radetzky hängte sich sicherheitshalber an den Lampenschirm. »Chester!«, rief er von oben herab und breitete einen Flügel aus. »Archie lässt ausrichten, du sollst dich beeilen! Es steht schlimm! Les Cœurs haben das Mädchen geholt! Beeil dich, Chester!«
    Ich fluchte sehr hässlich, aber auf Ägyptisch, also verstand es niemand. Ich warf einen Blick auf Alice. Sie atmete ruhig, auf ihrem Gesicht bemerkte ich eine gesunde Röte. Aber, zum Kuckuck, sie war immer noch bewusstlos.
    »Sie träumt immer noch«, ging Charles Lutwidge Dodgson ein Licht auf. »Und am schlimmsten, ich fürchte, dass das nicht ihr eigener Traum ist.«
    »Ich fürchte das auch.« Ich blickte ihm in die Augen. »Aber jetzt ist nicht die Zeit zum Theoretisieren. Man muss sie aus dem Fieberwahn holen, ehe es zu irreversiblen Dingen kommt. Radetzky! Wo ist das Mädchen momentan?«
    »Auf den Wonderland Meadows!«, krächzte die Fledermaus. »Auf dem Croquetplatz! Mit Mab und Les Cœurs!«
    »Fliegen wir.«
    »Fliegt.« Venera Whiteblack zeigte die Krallen. »Und ich werde hier Wache halten.«
    »Gleich.« Charles Lutwidge rieb sich die Stirn. »Ich verstehe nicht alles   … Ich weiß nicht, wohin und wozu ihr fliegen wollt, aber   … ohne mich wird es wohl nicht gehen   … Ich bin es, der sich das Ende dieser Geschichte ausdenken muss. Um das zu tun   …
By Jove!
Ich muss mit euch kommen.«
    »Das ist doch wohl nicht dein Ernst«, fauchte ich. »Du weißt nicht, wovon du redest.«
    »Ich weiß es. Es ist meine eigene Phantasie.«
    »Nicht mehr.«
     
    Auf dem Rückweg war der
horror vacui
noch schlimmer. Denn ich hatte es eilig. Mitunter erweist sich bei solchen Reisen Eile als fatal. Ein kleiner Fehler in den Berechnungen, und plötzlich gerät man nach Florenz ins Jahr 1348, in die Epidemie des Schwarzen Todes. Oder nach Paris, in die

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