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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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recht hatte. Wenn ich dir sage, dass der Knoch der Tod ist, wirst du trotzdem auf den Pass gehen, nicht wahr?«
    »Wahr.«
    Kehl richtete sich auf, rief dem Pferd etwas zu, galoppierte zu den Seinen. Gleich darauf bildeten die Berittenen eine Kolonne rings um den Wagen, setzten sich zur Straße hin in Bewegung. Niklas war schon bei seinen Leuten, er redete auf sie ein, beschwichtigte den Bärtigen aus Schwelle und andere, die es nach Blut und Rache verlangte. Korin und Visenna beobachteten schweigend die an ihnen vorüberziehende Abteilung. Die Leute ritten langsam, blickten geradeaus, demonstrierten Ruhe und kalte Verachtung. Nur Kehl hob, als er an ihnen vorbeiritt, leicht die Hand zu einer Abschiedsgeste, während er mit sonderbarem Gesichtsausdruck Visenna betrachtete. Dann riss er abrupt das Pferd voran, trabte an die Spitze der Kolonne, verschwand zwischen den Bäumen.
    VII
    Der erste Leichnam lag gleich am Eingang zu den Höhlen, zerquetscht, zwischen Hafersäcke und einen Haufen Reisig gedrückt. Der Gang verzweigte sich, an der Gabelunglagen die beiden nächsten Toten   – der eine fast kopflos vom Schlag mit einem Streitkolben oder einem Axtrücken, der andere von geronnenem Blut aus vielen Wunden bedeckt. Alle waren Menschen.
    Visenna nahm die Binde von der Stirn. Von dem Diadem ging ein Licht aus, heller als der Fackelschein, und erhellte das dunkle Innere der Höhle. Der Gang führte sie in eine größere Grotte. Korin stieß einen leisen Pfiff aus. An den Wänden standen Kisten, Säcke und Fässer, Stapel von Pferdegeschirren, Wollballen, Waffen, Gerätschaften. Ein paar Kisten waren zerschlagen und leer. Andere waren voll. Im Vorübergehen sah Korin mattgrüne Haufen von Jaspis, dunkle Bruchstücke von Jadeit, Achat, Opale, Chrysopras und andere Steine, die er nicht kannte. Auf dem steinernen Fußboden, der hier und da von den verstreuten Pünktchen goldener, silberner und kupferner Münzen funkelte, lagen wirr zusammengepresst Pelzbündel   – von Murmeltieren, Luchsen, Füchsen, Vielfraßen.
    Ohne auch nur einen Augenblick stehenzubleiben, eilte Visenna in eine weiter entfernte Kaverne, die kleiner und dunkler war. Korin folgte ihr.
    »Hier bin ich«, meldete sich eine dunkle, undeutliche Gestalt, die auf einem Stapel Lumpen und Felle lag, welche den Boden bedeckten.
    Sie gingen näher. Der gefesselte Mann war untersetzt, kahl, beleibt. Ein riesiger Bluterguss bedeckte sein halbes Gesicht.
    Visenna berührte das Diadem, der Chalzedon flammte für einen Moment in hellerem Licht auf.
    »Das ist nicht nötig«, sagte der Gefesselte. »Ich kenne dich. Ich habe vergessen, wie du genannt wurdest. Ich weiß, was du auf der Stirn hast. Das ist nicht nötig, sage ich. Sie sind im Schlaf über mich hergefallen, haben mirmeinen Ring weggenommen, den Stab zerstört. Ich bin machtlos.«
    »Fregenal«, sagte Visenna. »Du hast dich verändert.«
    »Visenna«, murmelte der Dicke. »Es ist mir wieder eingefallen. Ich dachte, es würde ein Mann sein, darum habe ich Manissa geschickt. Mit einem Mann wäre meine Manissa fertig geworden.«
    »Ist sie nicht«, brüstete sich Korin, während er sich umschaute. »Obwohl man der Toten Gerechtigkeit widerfahren lassen muss. Sie hat sich größte Mühe gegeben.«
    »Schade.«
    Visenna blickte sich in der Höhle um, ging sicheren Schrittes in einen Winkel, drehte mit der Stiefelspitze einen Stein um, nahm aus der Vertiefung darunter einen kleinen tönernen Topf, der in gefettetes Leder gewickelt war. Mit ihrer goldenen Sichel durchtrennte sie ein Riemchen, zog ein Pergamentbündel hervor.
    Fregenal schaute feindselig zu. »Bitte, bitte«, sagte er mit vor Wut zitternder Stimme. »Was für ein Talent, da muss man gratulieren. Wir können verborgene Dinge finden. Was können wir noch? Aus Ochsendärmen weissagen? Bei Färsen Blähungen kurieren?«
    Visenna schaute sich Blatt um Blatt an, ohne ihn zu beachten.
    »Interessant«, sagte sie nach einer Weile. »Vor elf Jahren, als du aus dem Kreis ausgestoßen wurdest, sind gewisse Seiten aus den Verbotenen Büchern verschwunden. Gut, dass sie sich wieder angefunden haben, noch dazu um Kommentare bereichert. Dass du es auch gewagt hast, das Doppelkreuz des Alzur anzuwenden   – na, na. Ich glaube nicht, dass du vergessen hast, welches Ende Alzur genommen hat. Ein paar von seinen Geschöpfen sollen noch auf der Welt zugange sein, darunter auch das letzte,der Wij, der ihn umgebracht und halb Maribor zerstört hat, ehe er in die

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