Etwas Endet, Etwas Beginnt
Blick der unheimlich funkelnden Augen nicht. Er wandte den Kopf zum Feuer hin ab.
»Verlang nicht zu viel von dir«, sagte Visenna und hüllte sich in den Mantel. »Es ist nun mal so, dass das Unnatürliche Furcht weckt. Und Abscheu.«
»Visenna …«
»Unterbrich mich nicht. Ja, Korin, die Menschen brauchen unsere Hilfe, sie sind dafür dankbar, oft sogar aufrichtig, aber sie verabscheuen uns, fürchten uns, blicken uns nicht in die Augen, spucken hinter unserem Rücken aus. Die Klügeren, so wie du, sind weniger aufrichtig. Du bist keine Ausnahme, Korin. Ich habe schon von vielen gehört, sie seien unwürdig, mit mir an einem Feuer zu sitzen.Aber es kommt vor, dass wir es sind, die die Hilfe der … Normalen brauchen. Oder ihre Gesellschaft.«
Korin schwieg.
»Ich weiß«, fuhr Visenna fort, »dass es leichter für dich wäre, wenn ich einen grauen Bart bis zum Gürtel und eine Hakennase hätte. Dann würde die Abscheu vor meiner Person kein solches Durcheinander in deinem Kopf erzeugen. Ja, Korin, Abscheu. Dieses Glitzerding, das ich an der Stirn trage, ist ein Chalzedon … Ihm verdanke ich in großem Maße meine magischen Fähigkeiten. Du hast recht, mit Hilfe des Chalzedons vermag ich die deutlicheren Gedanken zu lesen. Deine sind überaus deutlich. Verlange nicht, dass ich das als angenehm empfinde. Ich bin eine Zauberin, eine Hexe, aber außerdem eine Frau. Ich bin gekommen, weil ich mit dir schlafen wollte.«
»Visenna …«
»Nein. Jetzt will ich nicht mehr.«
Sie saßen da und schwiegen. Der buntgefiederte Vogel in der Tiefe des Waldes, im Dunkel auf einem Baumast, spürte Furcht. Im Wald gab es Eulen.
»Mit der Abscheu«, ließ sich schließlich Korin vernehmen, »hast du etwas übertrieben. Ich gestehe jedoch, du erregst in mir eine Art … Unruhe. Du hättest nicht zulassen sollen, dass ich das da am Kreuzweg mit ansehe. Diese Leiche, weißt du?«
»Korin«, sagte die Zauberin ruhig. »Als du bei der Schmiede dem Krahling das Schwert in die Kehle gerammt hast, hätte ich mich um ein Haar auf die Mähne des Pferdes übergeben. Ich hatte Mühe, mich im Sattel zu halten. Aber lassen wir unsere Spezialitäten ruhen. Wir sollten das Gespräch beenden, das zu nichts führt.«
»Wir sollten es beenden.«
Die Zauberin zog den Mantel enger um sich. Korin warf ein paar Tannenzapfen ins Feuer.
»Korin?«
»Ja?«
»Ich möchte, dass es dir nicht mehr gleichgültig ist, wie viele Leute morgen umkommen. Menschen und … Und andere. Ich zähle auf deine Hilfe.«
»Ich werde dir helfen.«
»Das ist noch nicht alles. Es bleibt die Sache mit dem Pass. Ich muss den Weg über den Klamat öffnen.«
Korin zeigte mit dem glimmenden Ende eines Zweiges auf die anderen Lagerfeuer und die dort lagernden Menschen, die schliefen oder sich leise unterhielten. »Mit unserer glorreichen Armee sollten wir damit keine Probleme haben.«
»Unsere Armee wird sich nach Hause verziehen, sobald ich aufhöre, ihnen die Köpfe mit Zauberei zu vernebeln.« Visenna lächelte traurig. »Aber ich werde sie nicht vernebeln. Ich will nicht, dass jemand von ihnen im Kampf für eine fremde Sache stirbt. Und der Knoch ist nicht ihre Sache, nur die des Kreises. Ich muss allein auf den Pass gehen.«
»Nein. Allein gehst du nicht«, sagte Korin. »Wir gehen zusammen. Ich, Visenna, weiß von Kindheit an, wann man fliehen muss und wann es noch zu früh ist. Dieses Wissen habe ich in Jahren der Praxis vervollkommnet, und darum gelte ich gegenwärtig als mutig. Ich habe nicht vor, meiner Meinung von mir Abbruch zu tun. Du brauchst mich nicht mit Zauberei zu vernebeln. Zuerst wollen wir sehen, wie dieser Knoch aussieht. Übrigens, was meinst du, was ist dieser Knoch?«
Visenna neigte den Kopf. »Ich fürchte«, flüsterte sie, »es ist der Tod.«
VI
Die anderen ließen sich nicht in den Höhlen überrumpeln. Sie warteten im Sattel, reglos, aufrecht, den Blick auf die aus dem Walde kommenden Reihen bewaffneter Bauern gerichtet. Der Wind, der an ihren Mänteln riss, ließ sie wie hagere Raubvögel mit gesträubtem Gefieder aussehen, bedrohlich, Respekt und Furcht einflößend.
»Achtzehn«, zählte Korin, in den Steigbügeln aufgerichtet. »Alle beritten. Sechs Handpferde. Ein Wagen. Niklas!«
Der Schmied änderte rasch die Formation seiner Abteilung. Die mit Piken und Spießen Bewaffneten knieten sich am Rande des Unterholzes hin, die Enden der Waffen in den Boden gerammt. Die Bogenschützen bezogen Position hinter den
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