Etwas ist faul
Sie war so aufgeregt, dass sie den Brief sofort laut vorlas. Ein Feuerwerk von Fragen folgte, und sie erzählte von ihrem gestrigen Besuch.
»Was für eine Heimlichtuerin du bist!«, rief Barbara. »Ist es wirklich so entzückend?«
Rupert räusperte sich und begann ein richtiges Kreuzverhör.
Dann meinte er: »Dahinter steckt noch etwas anderes. Es stinkt, wenn ihr mich fragt. Bestimmt ist was faul daran.«
»Ach, Unsinn«, sagte Barbara und rümpfte die Nase. »Warum soll was dahinterstecken? Das sieht dir ähnlich, Rupert, immer witterst du Geheimnisse, wo gar keine sind. Die schrecklichen Kriminalromane sind schuld, die du immer liest.«
»Die Miete ist ein Witz«, erklärte Rupert. »Wenn man in der Stadt arbeitet«, fügte er gewichtig hinzu, »erlebt man die seltsamsten Sachen. Ich kann euch nur sagen, dass das Angebot mehr als faul ist.«
»Das glaube ich nicht«, meinte Barbara. »Das Haus gehört eben einem Mann mit viel Geld, er liebt es und möchte, dass nette Leute drin wohnen, während er verreist ist. Irgendsowas. Geld ist vermutlich für ihn völlig unwichtig.«
»Wie war noch die Adresse?«, fragte Rupert seine Mutter.
»Cheviot Place 7.«
»Hu, wie aufregend!« Er schob seinen Stuhl zurück. »Der verschwundene Lord Listerdale wohnte dort.«
»Bist du sicher?«, fragte Mrs St. Vincent zweifelnd.
»Völlig. Er hat noch eine Menge anderer Häuser, überall in London, aber in dem dort wohnte er. Eines Abends erklärte er, er ginge jetzt in seinen Klub, und seitdem hat ihn kein Mensch mehr gesehen. Angeblich ist er nach Ostafrika oder so abgehauen, aber niemand weiß, warum. Vielleicht ist er in dem Haus auch ermordet worden. Sagtest du nicht, dass es viel Täfelung gibt?«
»Ja, schon«, antwortete Mrs St. Vincent hilflos, »aber…«
Rupert ließ sie nicht aussprechen.
»Die Wandtäfelung!«, rief er fasziniert. »Na also! Bestimmt gibt es irgendwo einen verborgenen Alkoven. Die Leiche wurde dort versteckt und ist immer noch da. Vielleicht hat man sie vorher einbalsamiert.«
»Rupert, mein Lieber, rede keinen Unsinn!«, sagte seine Mutter.
»Sei kein Idiot!«, rief Barbara. »Du bist mit deiner Wasserstoffblondine zu oft im Kino gewesen.«
Rupert erhob sich würdevoll – jedenfalls mit soviel Würde, wie sein schlaksiges und ungelenkes Alter es zuließ – und sprach ein Ultimatum.
»Du mietest das Haus, Mama, und ich erforsche das Geheimnis. Du wirst schon sehen!«
Rupert verabschiedete sich eilig, weil er Angst hatte, zu spät ins Büro zu kommen.
Die Blicke von Mutter und Tochter trafen sich.
»Wäre es möglich, Mutter?«, fragte Barbara ängstlich. »Ach! Wenn wir es doch mieten könnten.«
»Die Angestellten müssen essen«, sagte Mrs St. Vincent betrübt. »Nicht, dass sie das nicht sollten, nur – das ist ein Nachteil, finde ich. Man kann so gut ohne gewisse Dinge auskommen – wenn man allein ist.«
Mitleidig sah sie Barbara an. Barbara nickte.
»Wir müssen noch einmal darüber nachdenken«, sagte ihre Mutter.
Aber in Wirklichkeit hatte sie sich schon entschlossen. Sie hatte das Leuchten in den Augen ihrer Tochter gesehen.
Jim Masterton muss sie in der richtigen Umgebung treffen, überlegte sie. Das ist eine Chance – eine großartige Chance. Ich darf sie uns nicht entgehen lassen.
Sie setzte sich und schrieb dem Maklerbüro, dass sie das Angebot annehmen würde.
»Woher kommen die Lilien, Quentin? Ich kann wirklich keine teuren Blumen kaufen.«
»Sie wurden von ›King’s Cheviot‹ geschickt, Madam. Das ist so üblich.«
Der Butler zog sich zurück. Mrs St. Vincent stieß einen erleichterten Seufzer aus. Was würde sie nur ohne Quentin tun? Er machte alles so leicht und einfach. Es kann nicht lange dauern, dachte sie, es ist zu schön, um wahr zu sein. Irgendwann wache ich auf, ich weiß es, und stelle fest, dass alles nur ein Traum war. Ich bin hier so glücklich – schon zwei Monate, und sie sind vergangen wie im Flug.
Das Leben war wirklich erstaunlich angenehm gewesen. Quentin, der Butler, hatte sich zum Herrscher von Cheviot Place 7 entwickelt. »Überlassen Sie alles mir, Madam«, hatte er respektvoll gesagt. »Sie werden sehen, dass es so am besten ist.«
Jede Woche brachte er ihr das Haushaltsbuch. Die Ausgaben waren erfreulich niedrig. Es gab nur noch zwei andere Angestellte, eine Köchin und ein Hausmädchen. Sie waren freundlich und tüchtig, aber es war Quentin, der den Haushalt führte. Wild und Geflügel erschienen manchmal auf dem
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