Eugénie Grandet (German Edition)
Brief:
›Lieber Cousin!
Monsieur le président de Bonfons hat es übernommen, Ihnen eine Quittung über alle von meinem Onkel geschuldeten Summen zu übergeben, sowie auch eine solche, in der ich bestätige, diese Summe von Ihnen erhalten zu haben. Man hat mir von Bankrotterklärung gesprochen. Da dachte ich, daß der Sohn eines Bankrotteurs vielleicht nicht Mademoiselle d'Aubrion freien könne. Ja, lieber Cousin, Sie haben meinen Sinn, meine Sitten richtig beurteilt: ich habe nichts an mir von Ihrer großen Welt, ich kenne nicht ihre Berechnungen noch ihre Gebräuche, und ich könnte Ihnen nicht die Freuden schenken, die Sie dort zu finden hoffen.
Seien Sie glücklich, soweit die gesellschaftlichen Rücksichten, denen Sie unsere erste Liebe opfern, dies gestatten! Um Ihr Glück voll zu machen, kann ich Ihnen nicht mehr bieten als die Ehre Ihres Vaters.
Leben Sie wohl! Sie werden stets eine treue Freundin haben an Ihrer Cousine
Eugénie.‹
Der Präsident lächelte bei dem Ausruf, den der ehrgeizige Streber verlauten ließ, als er das authentische Dokument gewahrte.
»Unsere Heiratsanzeigen können wir uns nun gegenseitig schicken«, sagte Monsieur de Bonfons.
»Ah! Sie werden Eugénie heiraten?« rief Charles. »Nun, sie ist ein gutes Mädchen. Aber«, fuhr er fort – ihm war plötzlich eine Erleuchtung gekommen – »sie ist also reich?«
Der Präsident erwiderte spöttisch: »Sie hatte vor vier Tagen fast neunzehn Millionen; heute hat sie nur noch siebzehn.«
Charles war fassungslos. »Siebzehn... Mill...«
»Siebzehn Millionen, jawohl, Monsieur. Durch unsere Heirat erzielen wir, Mademoiselle Grandet und ich, eine Jahresrente von siebenhundertfünfzigtausend Livres.«
»Mein lieber Cousin«, – Charles hatte die Sicherheit wie dergefunden – »da können wir uns ja gegenseitig vorwärtshelfen.«
»Einverstanden«, sagte der Präsident. »Hier ist übrigens noch eine kleine Kassette, die ich Ihnen persönlich übergeben soll«, fügte er hinzu und stellte das Köfferchen mit dem Necessaire auf den Tisch.
Die Marquise d'Aubrion trat ein. Ohne Cruchot zu beachten, sagte sie zu Charles: »Lieber Freund, machen Sie sich keine Sorgen über die Rede, die mein armer Mann Ihnen gehalten hat; die Duchesse de Chaulieu hat ihm den Kopf verdreht. Ich wiederhole Ihnen, Ihrer Heirat steht nichts im Wege...«
»Nichts, Madame«, entgegnete Charles. »Die drei Millionen, die mein Vater seinerzeit schuldete, sind gestern ausbezahlt worden.«
»In bar?« fragte sie.
»Vollkommen! Kapital und Zinsen. Und ich werde sein Andenken rehabilitieren.«
»Welch ein Unsinn!« rief die Schwiegermutter. »Wer ist der Monsieur?« flüsterte sie dem Schwiegersohn ins Ohr. »Mein Geschäftsführer«, erwiderte er mit leiser Stimme.
Die Schwiegermutter grüßte hochmütig und ging hinaus. »Da helfen wir einander ja schon vorwärts!« sagte der Präsident und nahm seinen Hut. »Leben Sie wohl, Cousin.«
›Er macht sich über mich lustig, dieser Provinzkakadu. Ich habe nicht übel Lust, ihm sechs Zoll Eisen in den Leib zu rennen.‹
Der Präsident reiste ab. Drei Tage später verkündete Monsieur de Bonfons, der wieder in Saumur eingetroffen war, seine bevorstehende Heirat mit Eugénie. Sechs Monate später wurde er zum königlichen Gerichtsrat in Angers ernannt.
Ehe Eugénie Saumur verließ, ließ sie die Juwelen des Cousins, die ihrem Herzen so viele Jahre teuer gewesen waren, einschmelzen und weihte sie, mitsamt den achttausend Francs, die Charles ihr zurückbezahlt hatte, für eine goldene Monstranz, die sie der Kirche schenkte, in der sie so innig zu Gott gebetet hatte – für sein Wohlergehen.
Sie teilte nun ihre Zeit zwischen Angers und Saumur. Ihr Gatte, der in einer politischen Angelegenheit Ergebenheit gezeigt hatte, wurde Kammerpräsident und nach einigen Jahren Oberpräsident. Er erwartete voller Ungeduld die allgemeinen Wahlen, denn er hoffte, einen Sitz in der Deputiertenkammer zu erhalten. Schon träumte er von einer Pairschaft, und dann ...
»Dann wird der König also sein Cousin sein?« sagte Nanon, die Große Nanon, Madame Cornoiller, Bürgerin von Saumur, der ihre Herrin berichtete, zu welchen Höhen sie noch berufen werden könne.
Gleichwohl sollte es Monsieur de Bonfons – den Familiennamen Cruchot hatte er nun endgültig fallen gelassen – nicht gelingen, seine ehrgeizigen Pläne bis zu Ende durchzuführen. Er starb acht Tage nach seiner Ernennung zum Deputierten von Saumur. Gott, der alles
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