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Eugénie Grandet (German Edition)

Eugénie Grandet (German Edition)

Titel: Eugénie Grandet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Leute, wie junge Mädchen vor der Hochzeit.«
    Nachdem er also das kärgliche Menü des Tages bestimmt hatte, wandte sich der Biedermann nach der Obstkammer. Nun aber trat Nanon ihm in den Weg und sagte: »Monsieur, geben Sie mir doch Mehl und Butter, ich werde den Kindern einen Kuchen backen.«
    »Du scheinst für meinen Neffen das ganze Haus ausplündern zu wollen?«
    »Ich habe an Ihren Neffen nicht mehr gedacht als an Ihren Hund, nicht mehr, als Sie selber an ihn denken ... Da haben Sie mir wahrhaftig nur sechs Stück Zucker gegeben; ich brauche acht!«
    »Nun höre, Nanon! So habe ich dich ja noch nie gesehen! Was fällt dir denn ein? Bist du der Herr hier? Du bekommst nicht mehr als sechs Stück Zucker.«
    »Und womit soll denn Ihr Neffe seinen Kaffee süßen?«
    »Mit zwei Stückchen; ich selbst werde keinen nehmen.«
    »Sie wollen keinen Zucker nehmen? In Ihrem Alter! Lieber möchte ich Ihnen aus eigener Tasche welchen kaufen!«
    »Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten!«
    Trotz des niedrigen Preises für Zucker war letzterer in den Augen des Böttchers die kostbarste der Kolonialwaren; für ihn kostete das Pfund immer noch sechs Francs. Die Notwendigkeit, sparsam damit umzugehen, die zur Zeit des Kaiserreichs geboten gewesen war, war ihm zur bleibenden Gewohnheit geworden.
    Alle Frauen, selbst die einfältigsten, wissen eine List, um ihr Ziel zu erreichen. Nanon ließ die Sache mit dem Zucker fallen, um den Brotkuchen zu erlangen.
    »Mademoiselle«, rief sie durchs Fenster, »Sie möchten doch gern einen Brotkuchen haben?«
    »Nein, nein!« erwiderte Eugénie.
    »Komm her, Nanon«, sagte Grandet, als er die Stimme seiner Tochter vernahm, »da, nimm!« – Er öffnete die Speisekammer, in der das Mehl aufbewahrt wurde, gab der Magd ein wenig davon und fügte dem Stück Butter, das er schon vorher abgeteilt hatte, noch einige Unzen hinzu.
    »Ich brauche Holz, um den Backofen zu heizen«, sagte die unerbittliche Nanon.
    »So nimm dir, soviel du brauchst«, entgegnete er melancholisch; »aber dann machst du uns eine Obsttorte und bereitest das ganze Essen im Backofen; auf diese Weise brauchst du keine zwei Feuer zu machen.«
    »Na!« rief Nanon, »Sie haben nicht nötig, mir das aufzutragen.«
    Grandet warf seinem treuen Minister einen fast väterlichen Blick zu.
    »Mademoiselle!« rief die Köchin zum Fenster hinaus, »wir bekommen unsern Kuchen.«
    Vater Grandet wandte sich wieder seinen Früchten zu und stellte ein erstes Tellerchen voll auf den Küchentisch. »Sehen Sie doch, Monsieur«, sagte Nanon, »was für hübsche Stiefel Ihr Neffe hat! Was für feines Leder, und wie gut es riecht! Womit wird denn das geputzt? Soll ich Ihre Eierwichse dazu nehmen?«
    »Ich fürchte, Nanon, das Ei schadet dem Leder da. Übrigens sag ihm, du wüßtest nicht, wie man Saffianleder behandelt. Ja, es ist Saffian. Dann wird er selbst in der Stadt etwas kaufen, womit du seine Schuhe behandeln kannst. Ich habe gehört, daß man für Saffianleder eine Wichse nimmt, der Zucker beigemischt ist.«
    »So, dann ist das ja gut zu essen?« sagte die Magd und führte die Schuhe an die Nase.
    »Sieh, sieh! Es riecht wie das Kölnische Wasser der Madame. Ach, ist das spaßig!«
    »Spaßig!« wiederholte Grandet. »Ist das spaßig, wenn einer für seine Stiefel mehr Geld ausgibt, als er selber wert ist?«
    »Monsieur«, sagte sie, als ihr Gebieter die Obstkammer abgeschlossen hatte, »werden Sie nicht ein oder zweimal in der Woche eine Suppe haben für Ihren... ?«
    »Ja.«
    »Da soll ich zum Metzger gehen?«
    »Keineswegs. Du wirst uns Geflügelsuppe machen; die Pächter werden dich ausreichend mit Geflügel versorgen. Doch ich werde Cornoiller sagen, daß er mir ein paar Raben schießt. Dieses Wildgeflügel gibt die prächtigste Fleischbrühe von der Welt.«
    »Ist es wahr, Monsieur, daß dies Viehzeug sich von Leichen nährt?«
    »Du bist albern, Nanon! Sie fressen wie jedermann das, was sich ihnen bietet. Leben wir denn nicht auch von den Toten? Was ist denn die Erbfolge anderes?«
    Vater Grandet hatte nun keine Anordnung mehr zu treffen; er zog also seine Uhr, und da er sah, daß ihm bis zum Frühstück noch eine halbe Stunde Zeit blieb, nahm er seinen Hut, ging und begrüßte seine Tochter und sagte zu ihr: »Willst du ein wenig mit mir auf meinen Wiesen am Loireufer spazierengehen? Ich habe dort zu tun.«
    Eugénie holte ihren mit rosa Taft garnierten Strohhut, und Vater und Tochter schritten die gewundene Straße bis zum

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