Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
das damit verbundene surrende Vibrieren in meinen Ohren verursachten mir Kopfschmerzen, als würde mich jemand von Sam wegzerren wollen.
»Die Nachricht bestand aus lediglich vier Worten.
Ich habe sie gefunden
.«
»Das verstehe ich nicht. Ich meine, woher wusste sie es? Hättest du mich denn nicht vor Curly finden müssen? Sehe ich denn so aus, wie damals Elisabeth aussah?«
»Nein, tust du nicht.« Sam schaute an mir vorbei, reiste in Gedanken zurück in die Vergangenheit. »Trotzdem trägst du etwas an dir, was auch Elisabeth hatte.«
Ich hing an seinen Lippen. Das wurde ja immer verrückter. Was konnte es sein? Was hatte ich von meiner Existenz als Elisabeth in meine Mae-Existenz mitgenommen? »Was ist es?«
»Kannst du dich noch daran erinnern, dass Curlys Mutter ein Foto von euch gemacht hat?«
Ich nickte. Natürlich konnte ich mich daran erinnern. Sofort war dieses intuitive Wahrnehmung präsent, dass irgendetwas an der Situation nicht gestimmt hatte.
»Dieses Bild hat Curly der E-Mail beigefügt. Es wurde nur gemacht, damit sie es mir schicken konnte.«
Aha, na das war ja interessant. Dann lag ich mit meiner Intuition ja richtig. Frau von Bingen hatte nicht nur zufällig ihre neue Fotokamera ausprobieren wollen. Es war geplant gewesen.
»Auf dem Foto konnte ich ganz deutlich dein herzförmiges Muttermal am Hals erkennen. Es ist an der gleichen Stelle, hat exakt die gleiche Größe und Form wie früher.«
»Oh. So ist das«, sagte ich und griff mir mit meiner Hand an die Stelle des Halses, an der sich der Leberfleck befand. Ich erinnerte mich an die Szene in der Eingangshalle und daran, wie Curlys Mutter mir auf den Hals gestarrt hatte. Ich hatte es mir nicht eingebildet. Es gab eine logische Begründung. Halleluja. So irre war ich anscheinend doch nicht.
»Warte mal einen Moment.« Sam stand auf und fischte ein länglichesStoffwallet aus der Gesäßtasche seiner Jeans. Dann kramte er in den Fächern und entnahm einem schließlich ein gelbliches Papier. »Hier ist es«, sagte er, beugte sich zu mir und hielt mir ein vergilbtes, abgegriffenes Porträt eines Mädchens entgegen. »Das bist du. So hast du damals ausgesehen.«
Wie betäubt hielt ich die Schwarzweißfotografie in meinen zittrigen Händen. Das Mädchen auf dem Bild schaute jugendlich unbeschwert, aber zugleich sehr erwachsen in die Kamera. Obwohl sie mir gänzlich unbekannt war, war sie es doch nicht. Eine Art von Déjà-vu gab mir ein Gefühl des Wiedererkennens. Ich kannte diese Augen, die älter wirkten als sie eigentlich waren, und in denen sich keine Spur von Ängstlichkeit spiegelte, nur zu genau. Vermutlich hatten sie eine dunkle Farbe. Elisabeths dunkles Haar war in der Mitte gescheitelt und an den Seiten zu zwei Zöpfen geflochten, die quer über den Kopf festgesteckt waren. Mein Blick wanderte tiefer, bis zum gestärkten weißen Blusenkragen, welcher mit feiner Spitze abgesetzt war. Da war er. Ich starrte wie gebannt auf den herzförmigen Leberfleck, der sich prägnant von dem filigranen Hals abhob.
Sam setzte sich in fließenden Bewegungen neben mich. »Verstehst du nun, warum ich wusste, dass du es bist und sonst keine andere?«
Ich nickte, immer noch ergriffen, und konnte meinen Blick nur schwerlich von dem Porträt lösen. Meine Gedanken rasten auf dem Highway-der-Überlegungen-und-Fragen durch meinen Schädel, lieferten sich spektakuläre Verfolgungsjagden und waghalsige Überholungsmanöver. Jetzt fiel mir auch ein, was der 14. Februar noch für eine Bedeutung hatte. An diesem Tag ist Valentinstag, das Fest der Liebenden. Sam und ich hatten unser menschliches Leben eben an diesem Tag verloren. Ich schüttelte den Kopf und bemühte mich wieder Ordnung in mein konfuses Denken zu bringen.
»Aber eins verstehe ich nicht. Wie kommt es, dass ihr euch am Tage draußen aufhalten könnt?«, fragte ich Sam und wieder vermied ich geflissentlich, die Bezeichnung Vampir zu benutzen. Ich erinnerte mich daran, dass diese Eigenschaft den Vampiren in Filmen und Büchern grundsätzlich vorenthalten wurde. »Zerfallt ihr normalerweise nicht im Sonnenlicht zu Staub?«
»Das können wir dank unseres magischen Schutzes«, erklärte er, öffnete die vier obersten Knöpfe seines Hemdes, und zog das goldene Drachen-Amulett hervor. »Es schirmt uns vor dem Tageslicht ab. So ähnlich, als wenn eine Käseglocke über den Körper gestülpt wird, die keine Sonnenstrahlen durchlässt. Nur unsere Augen müssen zusätzlich durch eine Sonnenbrille
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