Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht
Junge. Genau genommen der hübscheste, geheimnisvollste und umwerfendste Typ schlechthin. Fast wünschte ich mir, er würde sich in das Wesen mit den spitzen Zähnen und den leuchtenden Augen verwandeln, damit mir eine Antwort erspart bliebe. Natürlich tat er es nicht. Ich schluckte. »Ich habe Dinge an dir und Konrad beobachtet, und auch teilweise an Curly. Es waren auffällige Dinge«, begann ich zögerlich.
Sam musterte mich angespannt. Bei genauerem Hinsehen fielen mir die dunklen Schatten um seine Augen auf, auch wirkte seine Haut noch bleicher, als sie es ohnehin sonst war.
»Ihr habt nie gegessen oder getrunken, weder in der Schulenoch im „Di Lorenzo“. Du hast noch nicht einmal während des Handallspiels geschwitzt.« Ich senkte den Blick und schürzte die Lippen. Sam blickte starr ins Nichts und schwieg. »Außerdem ist deine Haut irgendwie kalt. Sie ist viel kälter, als bei anderen Menschen.« Innerlich drehte und wendete ich mich, je näher ich dem Moment kam, in dem ich ihn mit meiner Schlussfolgerung konfrontieren musste. Aber es half alles nichts, ein Zurück gab es nicht mehr. Ich versuchte möglichst locker rüberzukommen und kramte all meine schauspielerischen Fähigkeiten zusammen, als ich weiter sprach. »Als ich bei Konrad im Auto saß, fiel das Mondlicht auf ihn und ich konnte erkennen, dass er sich veränderte. Er sah nicht mehr menschlich aus und geknurrt hat er auch. Und als ich im Meer schwamm und er auf der Brücke stand, hatte er etwas von einem Wolf.«
Sam hielt seine Fäuste immer noch geballt und knackte mit dem Kiefer. Er verharrte jedoch stumm, protestierte nicht, erklärte mich nicht zu einem Vollfreak, der zu viele schlechte Horrorfilme geguckt hatte. Insgeheim hoffte ich, er würde es tun. Mein Magen rumorte bei dem Gedanken, was ich in meinen nächsten Sätzen sagen musste. »Du und Curly habt mich gerettet, obwohl ihr nicht wissen konntet, wo ich war. Und in der Nacht hatte ich dann einen Traum. In diesem Traum habe ich einen Teil der Wahrheit gesehen.«
Sams Blick verdüsterte sich. »Einen Teil der Wahrheit?«, echote er bitter.
Sam wirkte so unnahbar, dass micht sein Anblick am Atmen, Schlucken und Reden hinderte wollte. »Sam …«, krächzte ich hilflos. »Ich habe keine Angst vor dir. Egal, was die Wahrheit ist.«
»Sag mir, was hast du gesehen!«
Blinde Panik machte sich in mir breit. Keine Panik vor Sam, vielmehr vor dem, was in den nächsten Sekunden zwangsläufig passieren würde. Ich hatte Angst davor ihn mit dem Begriff zu betiteln, als was er sich in meinem Traum offenbart hatte. Ich atmete tief ein. »Ich habe dich gesehen«, sagte ich mit erstickter Stimme. »Du warst ein Vampir.«
Sam ließ die Schultern hängen und schlug die Augen nieder. Es war also wahr. Mein Traum hatte mir sein wahres Wesen gezeigt.
»Hasst du mich nun?«, fragte er kühl. »Jetzt wo du es weißt?«
»Nein. Nein, ich hasse dich nicht.« Ich kniff die Augen zu und schüttelte den Kopf. »Ich könnte dich nie hassen.«
Sam lachte verachtend auf. »Ich bin ein Vampir, Mae.« Seine Stimme triefte vor Selbsthass und Abscheu. »Ein Parasit. Ein Wesen, das in Horror-Filmen vorkommt.«
Sein Ekel vor sich selber stach mir scharf ins Herz, doch er fuhr fort:
»Ich schäme mich für das, was ich bin. So bin ich dir in keinster Weise ebenbürtig.«
»Nein. Sag so etwas nicht. Du bist so wie du bist absolut wundervoll.«
»Wundervoll? Ich bin ein gottloser Untoter. Ich stehle Blut und frage vorher nie um Erlaubnis.« Er schnaubte. »Bitte verzeih mir, dass ich
das
bin.« Verächtlich deutete er an sich herunter. Ich merkte, dass es keinen Sinn hatte, darauf einzugehen. Wir würden uns nur im Kreise drehen. So beschloss ich, das Thema zu wechseln. »Wie … wie bist du … so geworden?«, fragte ich und vermied bewusst das Wort Vampir. »Ich meine, was ist danach passiert, nachdem mein Traum mit meinem Tod endet?«
»Bist du dir sicher, dass du das wirklich wissen möchtest?«
Dunkle Wolken schoben sich vor die Sonne und tauchten das Schwimmbad in ein gräuliches Zwielicht. Sam starrte die Decke empor, sein gequälter Blick war die reinste Folter für mich. »Wirst du damit umgehen können?«
»Ja, das werde ich«, sagte ich. »Ganz bestimmt sogar.«
Meine Entschlossenheit schien ihn zu ermutigen. Zögerlich kam er auf mich zu und setzte sich zu meinen Füßen in den Schneidersitz. »Du siehst in deinem Traum den Tag, an dem wir uns das letzte Mal gesehen haben. Es war am 14.
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