Eulenspiegel
als sie gerade auf Rot sprang. Im selben Augenblick war die Beifahrertür aufgerissen worden, und ein maskierter Mann war in den Wagen gesprungen, hatte Hoymann, dem Beifahrer, eine Pistole an die Schläfe gehalten und dem Fahrer befohlen, dem PKW vor ihnen zu folgen. Die Fahrt hatte schließlich auf diesem Feld hinter einem Erlenbruch, kaum 200 Meter von der Landstraße entfernt, geendet. Hier war der ebenfalls maskierte Fahrer des PKW ausgestiegen, und die beiden Gangster hatten die Postmänner an Händen und Füßen mit braunem Isolierband gefesselt und ihnen damit die Augen und den Mund verklebt. Dann hatten sie offensichtlich die vier Alukästen mit dem Geld in ihren PKW geladen und waren Richtung Landstraße verschwunden. Hoymann konnte nur raten, was dann passiert war, denn er hatte keine Möglichkeit gehabt, sich mit seinem Kollegen zu verständigen. Einen kurzen Moment, bis das Motorengeräusch verklungen war, hatten sie ein paar Meter voneinander entfernt ruhig dagelegen, dann hatte Hoymann gehört, daß sein Kollege sich von ihm weg bewegte. Vielleicht hatte er Hilfe holen wollen. Ein paar Augenblicke später war da ein Platschen gewesen und ein dumpfes Stöhnen, dann nichts mehr.
Als der Streifenwagen kam, hatte Hoymann immer noch versucht, seine Handfesseln zu lösen, was aussichtslos gewesen war, denn die Täter hatten mit Isolierband nicht gespart.
Flintrop hatte den Fahrer kopfunter in einem der Wässerungsgräben, die hier die Felder durchzogen, gefunden, tot, mit dem Gesicht im modrigen, kaum zwanzig Zentimeter hohen Wasser.
Als das Postauto nicht pünktlich in Kranenburg eingetroffen war, hatte der Dienststellenleiter in der Klever Post angerufen, und die Beamten dort hatten sofort die Polizei verständigt.
Astrid hauchte in ihre klammen Hände. Das reichte fürs erste, die Details konnte Helmut ergänzen. Er saß immer noch im Dienstwagen und redete mit Hoymann.
Wenigstens war inzwischen Ruhe eingekehrt. Der Notarzt war da gewesen, dann der Leichenwagen, der den Toten in die Pathologie bringen sollte, zwei Pressefotografen und bis vor einer Viertelstunde auch noch Flintrop und Schulte und ein völlig aufgedrehter Ackermann. Flintrop hatte aber auch wirklich eine Meise. Die Geschichte mit Ackermann als Tatverdächtiger in Handschellen würde ohne Zweifel heute abend noch die Runde unter den Kollegen machen.
Teufel, war ihr kalt! Wann wurden denn endlich die Scheinwerfer gebracht?
Van Gemmern vom Erkennungsdienst hatte sich geweigert, auch nur einen Finger zu rühren, bevor die Szenerie nicht ordentlich ausgeleuchtet war. Er lehnte unbeweglich am Postauto und starrte ins Dunkel. Astrid gab sich einen Ruck und stieg aus.
»Wann kommt denn endlich das Licht?«
Van Gemmern sah sie aus seinen harten, blauen Augen an und ließ sich Zeit mit der Antwort. Der wurde auch immer grauer und verschrobener. »Bald«, meinte er schließlich. »Ich habe Rother verständigt, und er war, wie immer, höchst eifrig.«
Astrid grinste innerlich. »Magst du ihn nicht?« Sie wußte, daß er solche Fragen haßte.
Und er antwortete auch nicht, musterte sie nur. »Er bemüht sich«, sagte er dann.
Jürgen Rother arbeitete erst seit drei Monaten beim Erkennungsdienst. Von Haus aus war er Physiker, hatte den Schnellen Brüter in Kalkar mitentwickelt und aufgebaut, aber als das Aus für das AKW kam, hatte er sich neu orientiert und war schließlich beim Erkennungsdienst gelandet. Zwei Doktortitel gaben seinem Namen Gewicht – Ackermann hatte ihn denn auch gleich den »Doppeldoc« getauft – aber neben van Gemmern mit seiner ganzen Erfahrung durfte Rother keinen leichten Stand haben.
Astrid zuckte die Achseln. Das war nicht ihr Problem, Hauptsache, der Typ tauchte bald mit den Lampen auf.
»Ist dir eigentlich nicht kalt in deinem dünnen Hemd?« fragte sie und kroch tiefer in ihre Jacke.
»Nein, wieso? Frierst du?«
»Wie ein Stint.«
Van Gemmern nickte nur.
Helmut Toppe rutschte auf dem Autositz ein Stück nach vorn. Das Schulterhalfter war unbequem, und es störte ihn ständig. Noch so eine Neuerung. Die Meinhard bestand darauf, daß auch die Kripoleute stets ihre Dienstwaffe trugen. Über den Sinn zu diskutieren, hatte er für den Moment aufgegeben. Er würde sich wohl einen Clip für den Gürtel kaufen, vielleicht war das bequemer.
»Ich kann Ihnen wirklich nicht sagen, wer von dem Geldtransport alles wußte«, beantwortete Hoymann jammernd Toppes letzte Frage. »Ich habe das Gefühl, es war ein offenes
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