Eulenspiegel
hatte die Autotür offen und quakte aufgeblasen ins Mikrofon. Der andere Kollege saß im Gras und klopfte einem Postbeamten den Rücken. Der Mann hatte die Hände über die Augen gelegt und schüttelte die ganze Zeit den Kopf.
»Wat geht denn hier ab?« brüllte Ackermann.
Flintrop sah kurz hoch. »Postraub.«
»Ha! Verarschen kann ich mich alleine«, legte Ackermann los, aber dann blieb ihm das Lachen in der Kehle stecken. Jetzt erst sah er den zweiten Postmann, der auf der Seite halb in einem Graben lag. Jemand hatte sein Gesicht mit einem Postsack zugedeckt.
»Heiliges Kanonenrohr!« rief Ackermann. »Ich glaub’, et hackt! Flintrop, ruf den Toppe an, schnell, mach schon!«
Flintrop schnaubte. »Hältst du mich für beschränkt? Was meinst du, was ich gerade getan hab’, du Penner! Wir haben doch erst mal versucht, die arme Socke da vorne wieder ans Atmen zu kriegen.«
Ackermann sah verschämt zu dem toten Postmann hinüber. »War wohl nix mehr drin?«
Flintrop stierte ihn finster an. »Nein, Scheiße, keine Chance. Der hatte schon keinen Herzschlag mehr, als wir angefangen haben.«
»Wat is’ denn nu’ überhaupt passiert?« fragte Ackermann. »Dat mit dem Postraub war doch wohl ’n blöder Witz.«
Der Postbeamte im Gras nahm die Hände vom Gesicht und wandte sich langsam um. »Der war’s«, krächzte er, räusperte sich und zeigte auf Ackermann. »Das ist der Mann, der mir die Pistole an den Kopf gehalten hat.«
Zum ersten Mal in seinem Leben war Josef Ackermann sprachlos. Er stand nur da und starrte den Mann an.
Auch Flintrop brauchte eine Weile, bis er reagieren konnte. »Was sagen Sie da?«
Der Postmann zog den Kopf zwischen die Schultern und duckte sich. Die nackte Angst sprang ihm aus den Augen, aber er blieb dabei: »Das ist der Mann.«
Flintrop schüttelte ungehalten den Kopf. »Wie kommen Sie denn darauf? Sie haben mir doch eben noch gesagt, die Männer wären maskiert gewesen, und an die Kleidung könnten Sie sich auch nicht erinnern.«
»Die Stimme«, würgte der Mann hervor. »Das ist dieselbe Stimme, ganz sicher.« Dann erbrach er sich.
Jetzt kam Leben in Ackermann. »Der steht doch unter Schock, der Mann. Dat sieht doch ’n Blinder! He, ich bin selbs’ Bulle!« rief er laut.
Flintrop betrachtete ihn mit einem merkwürdigen Blick.
»Bleiben Sie bei Ihrer Aussage, Herr Hoymann?« sagte er schließlich, ohne Ackermann aus den Augen zu lassen.
Der Postmann wischte sich den Mund mit einem Taschentuch, das ihm der andere Polizist in die Hand gedrückt hatte, und nickte. »Ja.«
»Tja, Jupp, so leid es mir tut …«
Ackermann machte einen Satz nach hinten. »Ich warn’ dich, Flintrop! Der Mann sieht se doch fliegen!«
». so leid es mir tut, ich muß dich festnehmen. Du kennst die Vorschriften.« In seinem Blick lag tiefe Genugtuung.
Ackermann hüpfte vor Aufregung. »Vorschriften? Flintrop, ich mein’, ich war nich’ immer Kumpel, aber …«
»In deinem Fall, denke ich, können wir auf Handschellen verzichten.« Flintrop ließ sich nicht mehr vom Weg abbringen.
Ackermann stand plötzlich still.
»Ich schwör’ dir, Flintrop, dat is’ bloß geliehen«, grinste er leise. Dann streckte er beide Hände nach vorn. »Ich besteh’ auf Armbänder. Wenn schonn, denn schonn. Mach voran!«
Astrid knöpfte ihre Strickjacke zu und setzte sich ins Auto. Heute morgen schien es noch eine gute Idee gewesen zu sein, auf den Mantel zu verzichten, aber da hatte sie auch nicht geahnt, daß sie den Abend auf einem morastigen, verblasenen Acker verbringen würde.
Helmut wollte abwarten, bis der Erkennungsdienst erste Spuren genommen hatte, und das konnte noch dauern. Besser, sie nutzte die Zeit, sich für ihren Bericht ein paar Notizen zu machen. Sie schaltete die Innenbeleuchtung ein und schlug ihren Block auf.
Jeden Freitag abend brachte ein Postauto rund 750.000 DM von Kleve nach Kranenburg. Das Geld wurde in verplombten Alukästen transportiert, aber das war auch schon die einzige Sicherung. Das Postauto war ein normaler Paketwagen, der Fahrer und Beifahrer waren normale, natürlich unbewaffnete, Postbeamte.
Das Auto hatte die Klever Hauptpost pünktlich um 16.45 Uhr verlassen. Schon in Donsbrüggen hatte der Fahrer sich über den PKW vor ihm geärgert, der auffällig langsam fuhr, aber wegen des dichten Feierabendverkehrs hatte es keine Möglichkeit gegeben, das Auto zu überholen. Im Ortskern von Nütterden hatte der PKW sie dann so ausgebremst, daß sie die Ampel erreichten,
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