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Europa-Handbuch - Europa-Handbuch

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Titel: Europa-Handbuch - Europa-Handbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Weidenfeld
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Gewährleistung der internationalen und überstaatlichen Verpflichtungen und das Vorschlagsrecht für Kandidaten zum Schiedshof und dem Staatsrat. Diese gemeinsam auszuübenden Befugnisse sind also Angelegenheiten, welche die Fundamente des belgischen Staates betreffen.
    Um die Effizienz der Beratungen zu erhöhen und Kosten einzusparen, wurde die Zahl der Abgeordneten durch die vierte Staatsreform von 212 auf 150 reduziert, sodass erstmals nach den Wahlen vom Mai 1995 eine deutlich verkleinerte Kammer zustande kam. Die Abgeordneten werden für vier Jahre gewählt. Meistens wird die Wahlperiode kaum ausgeschöpft, da aus parteipolitischen Zweckmäßigkeitserwägungen häufig das Parlament vorzeitig aufgelöst wird. Die Abgeordneten vertreten die Nation, nicht aber die Wähler ihres Wahlkreises. 5 Auch verfügen sie über ein freies Mandat. 6 Die eigentlichen Entscheidungsakteure, die – wenn sie zu einer Einigung gelangen – das Votum des Parlamentes dominieren, sind das Kabinett, die die Regierung tragenden Parteien, d. h. deren Vorstände, sowie die mächtigen Interessengruppen und -verbände. Die Parteien, nicht so sehr die Parlamentsfraktionen, wirken auf den Meinungsbildungsprozess im Kabinett ein. Angesichts dieser Machtkonstellation, in der das Parlament zwischen den mächtigen Akteuren Kabinett einerseits und Parteien andererseits sowie drittens den auf diese beiden Akteure hinwirkenden Interessengruppen steht, verwundert es nicht, dass die Bedeutung des im engeren Sinne parlamentarischen Prozesses in Belgien nicht sehr hoch eingeschätzt wird. Die Durchdringung des politischen Systems ist in Belgien noch stärker als in
Deutschland ausgeprägt. Es erfolgt eine Aushöhlung der ausführenden Regierungsgewalt und ihrer Verwaltung durch die Parteien. Die eigentliche politische Kontrolle wird nicht so sehr durch das Parlament, sondern durch die Parteien ausgeübt, deren Vorsitzende bewusst nicht Mitglieder der Regierung werden, um aus einer unabhängigeren Position heraus besser wirken zu können.
    In dem 2003 gewählten Abgeordnetenhaus sind folgende Parteien vertreten: Vlaamse Liberale en Demokraten/VLD 25 (1999: 23), Parti Socialiste /PS 25 (1999: 19), Mouvement Reformateur/MR 24 (PRL-FDC-MCC 1999: 18), Socialistische Partij Anders u. Spirit/SPA-SPI 23 (nur SP 1999: 14), Christen-Demokratisch&Vlaams/CD&V 21 (CVP 1999: 22), Vlaams Blok/VB 18 (1999: 15), Centre Democrate Humaniste/CDH 8 (PSC 1999: 10), Ecolo (wallonische Grüne) 4 (1999: 11), Nieuw-Vlaamse Allantie/N-VA 1 (1999: 0), Front National/FN 1 (1999: 1), Volksunie – ID 21/VU-ID 21 (1999: 8), Anders Gaan Leven/Agalev (flämische Grüne) 0 (1999: 9). Die Fraktionen bilden die einzige organisatorische Klammer der flämischen und wallonischen Parteien hinsichtlich einer nationalen Repräsentation. Die Regierung wird aus einer Koalition aus Liberalen, Sozialisten und Mouvement Reformateur unter der Führung des Liberalen Guy Verhofstadt gebildet.
2.2 Sozioökonomische Grundlagen
    In Belgien leben 10,3 Millionen Einwohner, wodurch die durchschnittliche Bevölkerungsdichte mit 316 Einwohnern pro Quadratkilometer eine der höchsten in Europa ist. Von den 904000 Ausländern in Belgien stammen 60 Prozent aus den EU-Staaten. Belgien stützte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner wirtschaftlichen Entwicklung zunächst auf seine bedeutende Eisen- und Stahlindustrie sowie den Kohlebergbau und nahm seit Mitte der Fünfzigerjahre einen vollständigen Strukturwandel vor, der in Richtung moderne Industrien und Dienstleistungsbetriebe ging. Besonders wichtig für die Umstrukturierung und Modernisierung der belgischen Wirtschaft ist der Aufbau einer leistungsfähigen petrochemischen Industrie, der in besonderem Maße Flandern zugute kam. Entscheidend hierfür waren die günstigen Standortbedingungen, insbesondere im Gebiet um Antwerpen mit seinem wirtschaftlich wichtigen Hafen. Neben der Chemieindustrie zählen die Maschinen- und Ausrüstungsindustrie sowie die Metallverarbeitung, auf die 30 Prozent der gewerblichen Arbeitsplätze entfallen, und die Elektroindustrie zu den wichtigen Industriezweigen.

    2001 betrug das Bruttosozialprodukt 245 Milliarden US-Dollar. 2001 waren in der Landwirtschaft 2 Prozent, in der Industrie 23,4 Prozent und im Dienstleistungssektor 74,6 Prozent der Beschäftigten tätig. Belgien ist ein bedeutender Exporteur, der zusammen mit den beiden anderen Benelux-Staaten den viertgrößten Wirtschaftsakteur im internationalen Wirtschaftssystem

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