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Staatengemeinschaft in Bosnien-Herzegowina infrage. 5
Infolge des Bürgerkrieges wurden etwa 1,2 Millionen Menschen zu Flüchtlingen und Vertriebenen, von denen bis 2002 fast eine Million in ihre früheren Wohnungen zurückkehrte. Die Rückkehr von Personen, die in ihrem Heimatort zur ethnischen Minderheit gehören, wurde häufig durch den politischen und gewaltsamen Widerstand der heutigen ethnischen Mehrheit verhindert. Der Hohe Beauftragte erließ im November 1999 Gesetze, die Flüchtlingen einen Rechtsanspruch auf Rückgabe ihrer Wohnung verliehen, und die lokale Verwaltung zur Unterstützung der Flüchtlingsrückkehr verpflichteten. Während die öffentlichen Medien auf der Ebene der Entitäten noch immer unter politischem Einfluss stehen, zielen die internationalen Anstrengungen darauf, das gesamtstaatliche Fernseh-und Radioprogramm als Gegengewicht dazu auszubauen und die transparente Finanzierung sowie rechtliche Unabhängigkeit aller elektronischen Medien zu sichern.
Der Krieg zerstörte die Infrastruktur Bosnien-Herzegowinas und reduzierte das Bruttoinlandsprodukt um etwa 80 Prozent. Nach dem Dayton-Abkommen erzeugten die bedeutenden ausländischen Finanzhilfen ein starkes Wachstum des Bruttoinlandsproduktes, das durch den Kosovo-Krieg vor allem in der RS unterbrochen wurde, danach wieder anstieg, aber im Jahr 2001 mit der Reduzierung ausländischer Hilfen nachließ. Die Arbeitslosigkeit ist noch immer sehr hoch und dürfte sich auch deshalb kurzfristig nicht verringern, weil viele große Unternehmen sich noch umstrukturieren müssen, um wettbewerbsfähig zu werden. Laut einer Studie des
Internationalen Währungsfonds ist die ökonomische Dynamik zunehmend durch hohe Steuersätze und eine rapide zunehmende öffentliche Verschuldung beeinträchtigt. 6 Demnach liegen die Staatsausgaben und Sozialleistungen Bosnien-Herzegowinas wesentlich höher als in Ländern mit einem vergleichbaren wirtschaftlichen Entwicklungsniveau. Die Umstrukturierung der Industrie, die Konsolidierung des Bankensystems und der Ausbau des Privatsektors stellen die wichtigsten ökonomischen Reformaufgaben dar. Im Jahr 2001 betrug das Pro-Kopf Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftparitäten 5 970 US-Dollar.
Der Hohe Beauftragte bemühte sich, die Steuererhebung wirksamer zu gestalten, die Steuergesetzgebung und die Finanzverfassung zu reformieren, ein modernes soziales Sicherungssystem aufzubauen und die Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen und den privaten Wirtschaftssektor zu verbessern. 7 Dazu erließ er im November und Dezember 2000 Gesetze zur Beschäftigungsförderung und sozialen Sicherung bei Arbeitslosigkeit, passte das Zollgesetz an die Zollpolitik der EU an und reformierte das Rentensystem. Anfang 2001 wurden die den innerbosnischen Zahlungsverkehr abwickelnden Zahlungsbüros aufgelöst und durch reguläre Geschäftsbanken ersetzt.
Die EU hat Bosnien-Herzegowina im Juni 2000 den Status eines Beitrittskandidaten sowie bereits im Jahr 1999 Verhandlungen zu einem Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) in Aussicht gestellt. Sie verband diese Perspektive im November 2000 mit einer Road Map von politischen und rechtlichen Bedingungen, die das Land auf dem Weg zum SAA erfüllen sollte. Zu diesen Bedingungen gehören unter anderem die Verabschiedung eines Wahlgesetzes und eines Beamtengesetzes sowie die Umsetzung des Rechtsanspruches auf Eigentumsrückgabe. Im September 2002 erfüllte Bosnien-Herzegowina die Road Map, woraufhin die Europäische Kommission begann, eine Machbarkeitsstudie für ein SAA zu erarbeiten. Im Mai 2002 übernahm der Hohe Beauftragte auch die Position eines besonderen Repräsentanten der EU, was die zunehmende Verantwortung der EU für den Friedensprozess dokumentierte. Bosnien-Herzegowina war am OBNOVA-Programm 8 und ist seit Dezember 2000 am CARDS-Programm 9 der EU beteiligt. 10 Seit Dezember 1999 gewährt die Europäische Gemeinschaft Zollfreiheit für die meisten gewerblichen und landwirtschaftlichen Waren aus Bosnien-Herzegowina. Im Februar 2001 beschloss der Rat, die noch bestehenden Mengenbeschränkungen für Textilimporte aufzuheben. Fast die Hälfte des bosnisch-herzegowinischen Außenhandels wird mit der EU abgewickelte. 11 Seit März 2001 arbeitet die EU auch in Fragen der Innen- und Justizpolitik mit Bosnien-Herzegowina zusammen. Bosnien-Herzegowina
erklärte sich bereit, mit EU-Experten im Bereich Einwanderung und Grenzschutz zu kooperieren sowie seine Staatsangehörigen, die
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