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Europa-Handbuch - Europa-Handbuch

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Titel: Europa-Handbuch - Europa-Handbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Weidenfeld
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Gros
Deutschland
    Mit der ersten Sitzung des Deutschen Bundestages im umgebauten Reichstagsgebäude in Berlin am 19. April 1999 ist die »Bonner Republik« in der »Berliner Republik« aufgegangen. Denkwürdig war die Debatte Anfang der 1990er Jahre, ob künftig Bonn oder Berlin Hauptstadt und Sitz des gesamtdeutschen Parlamentes sein sollte. Am 21. Juni 1991 schließlich entschieden die Abgeordneten des Bundestages sich mehrheitlich für Berlin.
    Mittlerweile sind die Debatten um die so genannte Berliner Republik nahezu verstummt. Eine Zwischenbilanz nach den ersten Berliner Jahren zeigt: Zwar hat die Republik seit 1999 in vielerlei Hinsicht ihr Gesicht verändert. Gleichwohl haben sich aber die Herausforderungen an die Politik in ihren Grundzügen ebenso wenig verändert wie die grundsätzlichen Rahmenbedingungen des Politikgestaltens. Die Debatten kreisen im Wesentlichen unverändert um jene Kernthemen, welche die politischen Diskussionen nun bereits seit vielen Jahren beschäftigen: Die deutsche Politik oszilliert zwischen Bestandssicherung und Reformnotwendigkeit. In den sozialpolitischen Debatten ist die ungelöste Frage der Tragfähigkeit und Finanzierbarkeit der Sozialversicherungssysteme bestimmend. Finanzpolitisch wird nach wie vor um Lösungen zu Stopp und Abbau der Staatsverschuldung gerungen. Wirtschaftspolitisch stehen die Suche nach Rezepten zur Verminderung der Arbeitslosigkeit und zum Erhalt der Attraktivität des Standortes Deutschland im Vordergrund. Außenpolitisch versucht sich Deutschland weiterhin an einer selbstbewussten Rollendefinition und an der Standortbestimmung in einem Europa, das die Suche nach sich selbst und seiner Position in der Weltordnung bei weitem noch nicht abgeschlossen hat.
1. Historischer Überblick
1.1 Von der Kapitulation zur neuen Staatlichkeit in Deutschland
    Vier Jahre nach der Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation aller deutschen Streitkräfte durch Vertreter des Oberkommandos der Wehrmacht
im Hauptquartier der sowjetischen Armee in Berlin-Karlshorst am 8. Mai 1945 erfolgte mit der Verabschiedung des Grundgesetzes durch den Parlamentarischen Rat ein bedeutsamer Schritt auf dem Weg zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland. In dritter Lesung stimmten am 8. Mai 1949 von den 65 Abgeordneten des Parlamentarischen Rates 53 für und zwölf gegen das Grundgesetz, das »dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung« geben sollte, wie es damals in der Präambel des Grundgesetzes hieß. 1 Seine Gültigkeit sollte das Grundgesetz an dem Tag verlieren, »an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist« 2 . Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Spaltung Deutschlands hatten die Mitglieder des Parlamentarischen Rates bewusst provisorische Elemente in das Grundgesetz aufgenommen. Damit wurde eine Verfassung ausgearbeitet, die geeignet war, »die gegenwärtig zerrissene deutsche Einheit schließlich wieder herzustellen« 3 . Um den Provisoriumscharakter zu unterstreichen, hatte man trotz des Verfassungsranges der »neuen Ordnung« auf die Bezeichnung »Verfassung« verzichtet. Zudem wurde in der Präambel das Kernziel des Grundgesetzes als Auftrag an »das gesamte Deutsche Volk« verankert, »in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.« Nach der Genehmigung durch die Militärgouverneure der Westalliierten am 12. Mai 1949 und der Zustimmung von zehn der elf Landtage 4 , wurde das Grundgesetz am 23. Mai durch den Parlamentarischen Rat verkündet. Bewusst hatte man bei der Ausarbeitung und Beratung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat die Lehren aus der politischen Entwicklung in der Weimarer Republik berücksichtigt. Am darauffolgenden Tag, dem 24. Mai 1949, trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Im Gegenzug konstituierte sich wenige Monate später am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik (DDR). Die doppelte Staatsgründung in Deutschland war vollzogen.
1.2 Aufbau und Konsolidierung der Bundesrepublik Deutschland
    Am 14. August 1949 fanden die Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag statt. Aufgrund des Wahlergebnisses zogen acht Fraktionen ein; wobei die CDU/CSU mit 31 Prozent Stimmenanteil die stärkste und die SPD mit 29,2 Prozent die zweitstärkste Fraktion bildeten. Nachdem am 12. September 1949 Theodor Heuss zum ersten Bundespräsidenten der jungen Republik gewählt worden war, erfolgte am 15. September

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