Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
EU-Politik mitbestimmen. Mit Blick auf die intergouvernementalen Politiken wurde dies besonders deutlich, als die Beiträge der einzelnen Nationen zur Erfüllung der militärischen Ziele der EU veröffentlicht wurden. Aufgrund der Ausnahmeregelung im Bereich Verteidigung war es Dänemark als einzigem Mitglied nicht möglich gewesen, Truppenkontingente, Schiffe oder Flugzeuge beizutragen, obwohl das Land bei der Friedenssicherung und im Krisenmanagement als sehr engagiert gilt. Der Umstand, dass Nicht-EU-Mitglieder wie Estland, die Slowakei und Norwegen zu Militäroperationen unter EU-Führung de facto mehr beitragen würden, machte Dänemarks Fehlen umso sichtbarer.
Der notwendige Balanceakt zwischen der Opposition im eigenen Lande und dem Druck seitens der anderen Mitgliedstaaten, die Integration voranzutreiben, ist für die Regierung zunehmend schwieriger geworden. Ein
Einstellungswandel wird offensichtlich: Die negative Einstellung zur EU verschiebt sich vom linken Flügel des Parteienspektrums zum rechten. Die zunehmend kritische Haltung des linken Flügels gegenüber den Vereinigten Staaten hat die Diskussion über eine neue Rolle des erweiterten Europas eröffnet: als ein andere politische Lösungen avisierender Gegenpol zu den Vereinigten Staaten. Auch ist die Regierung von Fogh Rasmussen inzwischen weniger auf eine weitere europäische Integration hin ausgerichtet, sondern betont vielmehr die Grenzen des Integrationsprozesses.
Dänemark hatte in der zweiten Hälfte des Jahres 2002 die EU-Präsidentschaft inne. Auf der Agenda stand die Erweiterung natürlich ganz oben, doch auch Beschäftigung, Verbraucherschutz und die Umweltpolitik wurden als wichtige Themen betrachtet. Der große Triumph von Premierminister Fogh Rasmussen bestand darin, dass er am Ende des Europäischen Rates in Kopenhagen am 12./13. Dezember 2002 erklären konnte: »Wir sind zu einer Einigung gekommen.« Diese Einigung bestand darin, dass die Verhandlungen zwischen der EU und den zehn Beitrittskandidaten einen positiven Abschluss gefunden hatten und diese Kandidaten seit 1. Mai 2004 EU-Mitgliedstaaten sind. Die EU-Präsidentschaft wurde weithin als Erfolg für die dänische Regierung betrachtet.
Doch dann kristallisierte sich für Dänemark ein neues Problem heraus: die Verhandlungen über eine Verfassung für die Europäische Union. Der gegenüber der EU negativ eingestellte Teil der Bevölkerung betrachtete schon allein die Namensgebung als problematisch. Ihrer Meinung nach gab es nur eine, und zwar die dänische Verfassung. Deshalb betrachteten die dänischen Verhandlungsführer es als einen Imperativ, dass der Name während der Verhandlungen im Europäischen Konvent und in der darauf folgenden Regierungskonferenz in »Verfassungsvertrag« umgewandelt wurde – der Terminus Vertrag zeigt dabei an, dass der Vorgang im Zuständigkeitsbereich der souveränen Nationalstaaten liegt. Die dänische Regierung hatte während den Verhandlungen eine Reihe von Themengebieten als prioritär betrachtet, in denen sie jeweils klare Positionen vertrat. Die Positionen lauteten im Einzelnen:
– Der neue Vertrag sollte einfach und logisch aufgebaut sowie verständlich formuliert sein.
– Die EU beruht auf der Zusammenarbeit zwischen Staaten, sie ist keine Föderation.
– Es muss jederzeit möglich sein, aus der Union auszutreten.
– Es muss eine klare Abgrenzung von Kompetenzen zwischen den Mitgliedstaaten und der Union geben.
– Die nationalen Parlamente müssen eine größere Rolle spielen. Sie müssen kontrollieren, dass sich die EU wirklich nur mit den ihr zugewiesenen Bereichen befasst.
– Die EU ist verpflichtet, im Umweltschutz, im Verbraucherschutz und bei der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau eine aktive Rolle zu spielen.
– Menschenrechte, die Grundsätze der Demokratie und der Offenheit müssen gestärkt werden. Die Grundrechtecharta muss Eingang in die Verträge finden.
– Der Gesetzgebungsprozess innerhalb der EU muss komplett offen gelegt werden.
– Die Europäische Union muss in der Lage sein, mit verstärktem Engagement in der internationalen Arena zu agieren. Ein europäischer Außenminister würde die Kohärenz der EU-Außenpolitik stärken.
– Die Ausdehnung der Mehrheitsentscheidung auf weitere Bereiche würde die Effektivität der Union erhöhen.
– Die Abstimmungsregeln sollten einfacher und leichter verständlich sein.
– Die EU sollte einen Vorsitzenden des Europäischen Rates haben, jedoch keinen
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