Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
damalige rot-grüne Bundesregierung im Herbst 1998 benannt hatte. Nachdem bereits Ende 1999 das von Finanzminister Hans Eichel vorgelegte »Sparpaket« die Zustimmung der Regierungsmehrheit gefunden hatte, folgte nach langen Auseinandersetzungen im Frühjahr 2000 die Verabschiedung der Steuerreform im Bundestag. Sie erfolgte gegen den Widerstand der Opposition. Überraschend fand die Gesetzesvorlage am 14. Juli 2000 auch die Zustimmung des Bundesrates. Allerdings zeigte sich in den nachfolgenden Jahren die unzureichende Tragkraft des Konzeptes. In ihrer Wirkung und Richtigkeit umstrittene Nachbesserungen wurden 2003 notwendig.
Im Rahmen des steuerpolitischen Konzeptes der Bundesregierung immer wieder kontrovers diskutiert wurde die Einführung der so genannten Ökosteuer, die bereits zum 1. April 1999 in Kraft getreten war und von den Oppositionsparteien heftig kritisiert wird. Mit ihr sollten Schadstoffemissionen, Energieverbrauch sowie umweltschädigende Produktionsverfahren verteuert und die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch die Senkung der Lohnnebenkosten gefördert werden. Kernziel der Bundesregierung war es dabei, die Senkung des Rentenversicherungsbeitrages auf 19,3 Prozent finanziell abzusichern. Die auf mehrere Jahre verteilte Anhebung der Mineralölsteuer sorgte zwischenzeitlich zusammen mit gestiegenen Rohölpreisen für ein bisher in Deutschland nicht gekanntes hohes Energiepreisniveau. Flankiert wurde das Ökosteuerkonzept der Bundesregierung mit Fördermaßnahmen zur Erzeugung von Strom aus regenerativen Energien wie Wind- und Solarenergie, Erdwärme und Biomasse. Zudem wurde zwischen Bundesregierung und der Energiewirtschaft vereinbart, die Regellaufzeit der noch in Deutschland im Netz befindlichen Kernreaktoren auf maximal 32 Jahre festzuschreiben und keine neuen Reaktoren in Betrieb zu nehmen (Stichwort: Atomausstieg).
Veränderte Altersstruktur, das Aufbrechen tradierter Formen des Zusammenlebens in der Gesellschaft sowie neue Formen der Beschäftigung und Erwerbstätigkeit stellen den deutschen Sozialstaat und die in Deutschland historisch gewachsenen Systeme der sozialen Sicherung vor große Herausforderungen. Zu den sozialpolitischen Schlüsselfragen gehört spätestens seit Ende der 1990er Jahre die grundlegende Reform der Sozialversicherungssysteme. Zum Konsens zählt inzwischen bei Regierung wie Opposition, dass die Altersvorsorge in Deutschland zwar auch künftig an der lohn- bzw. beitragsbezogenen Rente orientiert bleiben soll, zugleich aber ohne
eine private Vorsorge nicht auskommen wird. Dennoch ist es in der 14. Legislaturperiode nicht gelungen, für die nächsten Jahrzehnte tragfähige Konzepte zur Reform des Renten- und Krankenversicherungssystems zu finden. So bestimmte die Reformdebatte auch die 2002 begonnene 15. Legislaturperiode und ist auch zentrales Thema der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel.
Erschwert wird die Lösungsfindung durch eine seit Jahren anhaltend stark defizitäre Haushaltssituation des Bundes, eine seit dem Jahr 2000 schwierige Konjunkturlage in Deutschland und eine unverändert ungünstige weltwirtschaftliche Situation. Mehrfach bewegte sich Deutschland in den letzten Jahren am Rande der wirtschaftlichen Rezession; verletzte die Kriterien des europäischen Stabilitätspaktes. Das Wirtschaftswachstum in Deutschland reicht längst nicht mehr, um neue Beschäftigung zu schaffen. Die Zahl der Arbeitslosen bewegt sich seit geraumer Zeit auf einem Niveau jenseits der vier Millionen.
Treffend charakterisierte in diesem Zusammenhang der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Herbst 2002 die wirtschafts- und beschäftigungspolitische Leistung der Bundesregierung: »Der Koalitionsvertrag und die bisherige Regierungspolitik lassen eine konsistente und umfassende Strategie für mehr Beschäftigung und ein höheres Wachstum vermissen.« 7 Folgt man den Prognosen der wirtschaftlichen Forschungsinstitute, so wird sich in Bezug auf die hohe Arbeitslosigkeit und unzureichendes Wirtschaftswachstum zumindest kurzfristig in Deutschland nichts ändern.
2.3 Europa- und Außenpolitik
Die Grundausrichtungen der deutschen Europa- und Außenpolitik sollten vom Regierungswechsel im Herbst 1998 zunächst weitgehend unberührt bleiben. So unterstrich Bundeskanzler Schröder in seiner Regierungserklärung am 10. November 1998: »Die Freundschaft mit Amerika ist eine Freundschaft, die sich bewährt hat und die vor keiner
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