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werden. Seit 1991 flossen aus den Kassen des Bundes, der westdeutschen Länder und Gemeinden sowie der Renten- und Sozialversicherung, aber auch der Europäischen Union Finanzmittel von weit mehr als 900 Milliarden Euro nach Ostdeutschland.
1.6 Ende der Ära Kohl und rot-grüne Koalitionsregierung
Trotz hoher Stimmenverluste konnte sich im Wahljahr 1994 die Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP bei der zweiten gesamtdeutschen Bundestagswahl behaupten. Helmut Kohl wurde am 15. November 1994 vom Deutschen Bundestag in seinem Amt als Bundeskanzler bestätigt. Allerdings erschwerten die mit zehn Stimmen nur knappe Mehrheit der Regierungskoalition und die Mehrheit der SPD-regierten Länder im Bundesrat der Bundesregierung in den Folgejahren die Politikgestaltung. Bei der Bundestagswahl
1998 erfolgte die Abwahl der bislang regierenden Koalition aus Unionsparteien und FDP. Mit deutlichem Stimmenvorsprung gewannen SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Bundestagswahl vom 27. September 1998.
Nach den wohl kürzesten Koalitionsverhandlungen in der Geschichte Deutschlands legten Vertreter der bisherigen Oppositionsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen am 20. Oktober 1998 eine Koalitionsvereinbarung mit dem zukunftsweisenden Titel »Aufbruch und Erneuerung – Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert« als Basis für die künftige gemeinsame Regierungsarbeit vor. Der Abbau der Arbeitslosigkeit in Deutschland wurde darin zum obersten Ziel in der Arbeit der neuen Bundesregierung erklärt. Nachdem die Delegierten beider Parteien auf Sonderparteitagen am 24./25. Oktober 1998 die Koalitionsvereinbarung annahmen, war der Weg für das neue Regierungsbündnis frei. Die Abgeordneten des 14. Deutschen Bundestages wählten schließlich am 27. Oktober 1998 Gerhard Schröder (SPD) mit 351 zu 287 Stimmen bei 27 Enthaltungen zum ersten Bundeskanzler einer rot-grünen Koalitionsregierung.
Die neue Bundesregierung hatte zwar erhebliche Startschwierigkeiten und bis Anfang des Jahres 2001 sechs Minister und einen Staatsminister ausgewechselt, begann jedoch gleichzeitig konsequent damit, die selbst vorgegebenen Aufgaben abzuarbeiten. In einem ersten Schritt machte die rot-grüne Bundesregierung eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen der Vorgängerregierung rückgängig. Sie setzte beispielsweise die Rentenkürzungen aus, stellte einen umfassenden Kündigungsschutz wieder her und schrieb die hundertprozentige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erneut gesetzlich fest. Die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen wurden von Zuzahlungen für Medikamente entlastet, ein Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit beschlossen, ein »Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit« mit den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden initiiert, die im Wahlkampf angekündigte so genannte ökologische Steuerreform realisiert und Reformen im Ausländerrecht begonnen. Die Politik der Bundesregierung fand dabei keineswegs die ungeteilte Zustimmung der Bevölkerung. Dies wurde deutlich bei den der Bundestagswahl nachfolgenden Landtagswahlen. Die SPD musste empfindliche Niederlagen hinnehmen, verlor die Regierungsmehrheit in Hessen und dem Saarland, schied in Thüringen aus der Regierungskoalition aus und ging in Brandenburg eine Koalition mit der CDU ein. Der Aufschwung, den die CDU mit diesen Wahlerfolgen erfuhr, wurde jedoch jäh mit dem Bekanntwerden der Parteispendenaffären der CDU, in deren Mittelpunkt Helmut Kohl stand, unterbrochen.
2. Aktuelle Situation
2.1 Innenpolitik
Die Kanzlerschaft Schröders war geprägt von unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen in Bundestag und Bundesrat. Während Rot-Grün nach dem Wahlsieg 1998 im Bundestag über die – seit der Bundestagswahl 2002 jedoch sehr knappe – Mehrheit der Mandate verfügte, wurde der Bundesrat von den CDU/CSU-geführten Ländern dominiert. Die für die CDU erfolgreichen Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen Anfang 2003 sowie der grandiose Wahlsieg der CSU bei der Bayerischen Landtagswahl am 21. September 2003 – erstmals seit 1945 verfügt mit der CSU eine Partei in einem deutschen Länderparlament über eine Zweidrittelmehrheit – hatten den Gestaltungsanspruch der Unionsparteien im Bundesrat weiter gestärkt. Mehr denn je war Rot-Grün deshalb auf die Koordination ihrer Politik mit der Unionsmehrheit im Bundesrat angewiesen. Gleichwohl galt: Angesichts der politischen Heterogenität innerhalb der rot-grünen Regierungskoalition, eines Regierungsstils des
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