Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
Bewährungsprobe steht. Wir garantieren sie nicht nur aus Kontinuität und Bündnistreue heraus. Sondern wir garantieren sie aus jenem Vertrauen, das nur aus partnerschaftlichem Miteinander-Reden und Miteinander-Fühlen entstehen konnte. Wir stehen überzeugt zu unseren Verpflichtungen im Rahmen der Atlantischen Allianz.« 8 Zur Europapolitik hatte er, insbesondere mit Blick auf die 1999 anstehende deutsche Ratspräsidentschaft, die Vorgabe gemacht, »den europäischen Integrationsprozess voranzutreiben. Nur durch die Weiterentwicklung
zu einer politischen Union sowie zu einer Sozial- und Umweltunion wird es gelingen, unser Europa bürgernah zu gestalten«.
Die Bewährungsproben dieser Vorgaben rot-grüner Außenpolitik blieben nicht aus. Der NATO-Einsatz gegen Jugoslawien und die EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 1999 waren erste Belastungsproben für die rot-grüne Bundesregierung auf internationalem Parkett. Danach nahm der Spannungsbogen außenpolitischer Aufmerksamkeit deutlich ab. Erst die Vorbereitung des Gipfeltreffens der Europäischen Union in Nizza und die Fragen der institutionellen Reformen sowie der weiteren Ausgestaltung der EU verschaffte der Europapolitik in Deutschland neue Aufmerksamkeit. Dabei diente der Gipfel von Nizza nicht zuletzt als Kulisse für ein Machtspiel zwischen Frankreich und Deutschland. Ausdauernd wurde vor allem über das System der Stimmenwägung im Rat der Europäischen Union gestritten. Die Bundesregierung forderte eine »stärkere Rücksicht auf demographische Tatsachen«. Wenn auch schließlich eine Neugewichtung der Stimmen im Rat erreicht und die Sitzverteilung im Europäischen Parlament stärker als bisher an der Bevölkerungszahl der Mitgliedstaaten ausgerichtet wurde, so waren die Ergebnisse letztlich doch nicht mehr als ein politischer Minimalkompromiss. Die Fortschritte im Bereich der Mehrheitsentscheidungen bezogen sich eher auf zweitrangige Bereiche. Als größter Erfolg konnte dabei aus deutscher Sicht gleichwohl die Initiierung des »Post-Nizza-Prozesses« zur Klärung noch offener Reformschritte angesehen werden. Deutschland blieb auch in den Folgejahren treibende, in vielen Bereichen initiierende Kraft vor allem der europäischen Verfassungspolitik und trug wesentlich zur zielorientierten Debatte bei.
Wie keine andere Bundesregierung zuvor war die Regierung Schröder in kürzester Zeit mit einer Vielzahl außen- und sicherheitspolitischer Herausforderungen konfrontiert. Nie zuvor waren so viele deutsche Soldaten im Ausland stationiert wie in den Jahren seit 1998. Einen sicherheitspolitischen Einschnitt von globaler Auswirkung stellten die terroristischen Flugzeugattentate auf die Twin Towers des World Trade Centers vom 11. September 2001 dar. In der Folgezeit wurde exemplarisch deutlich, wie sehr doch das Koordinatensystem deutscher Außenpolitik Erosionsprozessen und dem taktischem, ausschließlich auf den persönlichen Machterhalt ausgerichteten Kalkül des damaligen Bundeskanzlers unterworfen waren. Zwar hatte Schröder zunächst noch am 11. September den USA die »uneingeschränkte Solidarität« Deutschlands versichert. Dass hier allerdings nur ein schleichender Prozess der Entfremdung deutscher und amerikanischer Außenpolitik notdürftig übertüncht wurde, zeigte sich nach ersten Anzeichen in der deutschen Haltung zum amerikanischen Vorgehen in Afghanistan endgültig im
Sommer 2002, als Schröder den USA die militärische Unterstützung im Irak-Konflikt aus wahltaktischen Gründen verweigerte. Hand in Hand mit einer außenpolitischen Entfremdung zwischen Deutschland und den USA ging seit 1998 eine intensiv betriebene Ostpolitik und sukzessive Annäherung an Russland. Schröder und Fischer unternahmen es nicht ohne Erfolg, Deutschland zum Impulsgeber einer europäischen Ostpolitik zu machen und damit die besondere politische Rolle der Bundesrepublik im Zentrum Europas zu unterstreichen.
Die neue Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel wird ihre Führungsfähigkeit in der deutschen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 unter Beweis stellen können.
3. Ausblick
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich in den über 50 Jahren ihres Bestehens zu einer stabilen Demokratie entwickelt. Ihre Funktionsmechanismen sind akzeptiert. Das politische System hat seine Krisenfestigkeit mehrfach bewiesen. Die Zustimmung der Bürger zur politischen und wirtschaftlichen Ordnung, die Systemakzeptanz, hat sich insgesamt auf einem Niveau oberhalb der meisten
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