Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
setzte seine integrationsfreundliche Linie durch. Lipponen war bereits sehr früh ein Befürworter des finnischen EU-Beitritts, und sprach sich auch für eine Teilnahme an der Wirtschafts-und Währungsunion (WWU) aus, da sich Finnland so weit wie möglich an einer vertieften Integration beteiligen sollte. 6 Laut Lipponen sollte Finnland in sämtlichen Politikbereichen der europäischen Integration zur Avantgarde gehören, um die künftige Entwicklung der EU beeinflussen zu können. Gemäß dieser Logik wäre auch eine finnische Beteiligung an einer verstärkten militärischen Zusammenarbeit innerhalb der EU zwingend. Lipponen verteidigte auch in klassischer Manier ein kommunitaristisches Konzept europäischer Integration gegen den Trend zum Intergouvernementalismus und bedauerte die schwindende Rolle der Kommission in den Außenbeziehungen aufgrund der jüngsten Entwicklungen im Rat. Lipponen setzte
sich auch oft für die Wahrung der Rechte der kleineren Staaten in der Union ein und kritisierte Gedanken in Richtung eines europäischen Großmachtdirektoriums. Während der Regierungskonferenz 2000 waren Belgien und Portugal die engsten Partner Finnlands.
Der neue Ministerpräsident Vanhanen ist bezüglich Integrationsfragen viel zurückhaltender, sieht viele Probleme im Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents und zweifelt Finnlands Streben nach Zugehörigkeit zu einem »Kerneuropa« an. Die staatliche Souveränität beibehalten zu können ist ihm sicher wichtiger als es das für Lipponen war. Auch der sozialdemokratische Außenminister Tuomioja hat Lipponens Europapolitik immer reserviert gegenüber gestanden. Dies wurde sowohl in Fragen der Teilnahme an der WWU als auch an einer Gemeinsamen Europäischen Sicherheits-und Verteidigungspolitik deutlich. Für ihn stellt die europäische Integration in erster Linie einen Versuch dar, die Globalisierung zu bewältigen. Er erinnerte daran, dass der Integrationsprozess in Europa aus nordischer Sicht den Rest der Welt zu sehr ausschließe, sogar protektionistisch sei. Seiner Meinung nach könne das Streben nach vertiefter Integration als Gefahr für das skandinavische Wohlfahrtsmodell angesehen werden. Im Hinblick auf die Finalität der Europäischen Union betonte Tuomioja, in den meisten europäischen Ländern seien die Bürger noch nicht zu einer europäischen Föderation bereit. Tuomioja sprach sich weiter gegen eine Europäische Union als Supermacht aus. Besorgt äußerte er sich ebenfalls über Finnlands Beteiligung an jeglicher Form der verstärkten Zusammenarbeit, die Europa seines Erachtens teilen würde.
Auch Präsidentin Halonen sprach sich gegen eine Zugehörigkeit Finnlands zum »militärischen Kern« der EU aus. Ihrer Meinung nach »besteht für Finnland keine Notwendigkeit, jedem Kern anzugehören – nur jenen, die dem Land Vorteile bringen«. 7
Die öffentliche Meinung hat die Politik der Regierung in großen und ganzen unterstützt – der Euro zum Beispiel ist gut angekommen. Aber es gibt viele Vorbehalte, besonders außerhalb der großen Städte. Wie die regulären Eurobarometer-Umfragen zeigen, hat die Bevölkerung in Finnland viel Vertrauen in nationale Institutionen und ist skeptisch gegenüber der Europäischen Union, ihrer Erweiterung und Vertiefung. Viele Finnen glauben, dass die großen Staaten zu viel Macht in der EU ausüben und die kleineren Staaten ihre Interessen nicht durchsetzen können. Eine Frage, die sehr symptomatisch in der finnischen Öffentlichkeit betrachtet wurde, betraf den künftigen Sitz der europäischen Lebensmittelsbehörde. Das Faktum, dass Helsinki diese Behörde trotz früherer Beschlüsse nicht bekommen hat, wurde als sehr ungerecht empfunden.
3. Ausblick
Nach Finnlands EU-Beitritt versuchte das Land, systematisch dem inneren Kern der Union anzugehören. Premierminister Lipponen wurde oft als die Personifizierung dieser Politik angesehen. Lipponens Position wurde aber sowohl in Meinungsumfragen als auch innerhalb der eigenen Partei immer häufiger kritisiert. Seine föderalistisch klingenden Ideen haben in der Bevölkerung keine große Zustimmung gefunden; ihm war unterstellt worden, er trete mehr für die Interessen der EU als für die Finnlands ein. Halonens Außenpolitik wird von der Bevölkerung dagegen gut benotet.
Es ist offenbar, dass der Regierungswechsel von 2003 eine Kursveränderung in der finnischen Europapolitik darstellt. Die Troika von Halonen, Vanhanen und Tuomioja repräsentiert eher eine
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