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Europa-Handbuch - Europa-Handbuch

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Titel: Europa-Handbuch - Europa-Handbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Weidenfeld
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(1870 bis 1940) setzte sich endgültig das republikanische Regime durch, allerdings mit der Unterbrechung der autoritären Vichyzeit ( Etat français mit Philippe Petain 1940 bis 1944). Die IV. Republik (1946 bis 1958) erlebte 25 Regierungen in zwölf Jahren; sie konnte trotzdem eine positive Bilanz im Bereich der Europapolitik vorweisen. Wegen der Krise in Algerien kam General de Gaulle im Mai 1958 an die Macht zurück, nachdem er von August 1944 bis Januar 1946 die zunächst provisorische Regierung geleitet hatte.
1. Historische Entwicklung
1.1 Das politische System der V. Republik
    Die Verfassung der V. Republik, die am 28. September 1958 durch eine Volksabstimmung angenommen worden war, verlagerte die Macht von
der Nationalversammlung auf den Präsidenten der Republik. Den Regierungschef setzte sie zu einem Ausführungsorgan des Präsidenten herab. Charles de Gaulle wurde am 21. Dezember 1958 indirekt von etwa 80 000 Wahlmännern zum Präsidenten der Republik gewählt. Die siebenjährige Dauer seines Mandates und die Einführung der direkten Wahl des Präsidenten seit 1962 gaben ihm die demokratische Legitimität sowie eine verstärkte Führungsrolle.
    Neben den traditionellen Aufgaben eines Staatsoberhauptes ernennt und entlässt der Präsident der Republik den Premierminister, er führt den Vorsitz im Ministerrat und kann Volksentscheide durchführen. Es gab bereits drei Referenden über Europafragen, 1972 zur ersten Erweiterung der EG, 1992 über den Vertrag von Maastricht und 2005 über den Vertrag über eine Verfassung für Europa. Der Präsident kann die Nationalversammlung auflösen und in Krisenzeiten außerordentliche Vollmachten erhalten. Dies geschah einmal unter de Gaulle während der Algerienkrise. Der Präsident übernahm auch wichtige Kompetenzen in der Außen- und Verteidigungspolitik.
    Seit 1958 zählt Frankreich fünf Präsidenten der Republik (Charles de Gaulle: 1959 bis 1969, Georges Pompidou: 1969 bis 1974, Valery Giscard d’Estaing: 1974 bis 1981, François Mitterrand: 1981 bis 1995 und Jacques Chirac: seit 1995) mit einer durchschnittlichen Amtsdauer von acht Jahren. In derselben Zeit gab es 18 verschiedene Premierminister, die im Durchschnitt 2,5 Jahre im Amt blieben. Bundeskanzler Kohl hatte zwischen 1982 und 1998 mit neun verschiedenen Premierministern gearbeitet. In der Verfassung steht, dass die Regierung die Politik der Nation bestimmt und der Premierminister die Arbeit der Regierung leitet. Diese Sätze erinnern an Artikel 65 des deutschen Grundgesetzes über die Rolle des Bundeskanzlers. In Zeiten der Kohabitation , wenn unterschiedliche Mehrheiten den Präsidenten der Republik und den Premierminister unterstützen, verlagert sich ein Teil der Macht, besonders in der Sozial- und Wirtschaftspolitik, zugunsten des Premierministers. Von 1997 bis 2002 erlebte Frankreich die dritte Kohabitation , die beiden ersten gab es von 1986 bis 1988 und von 1993 bis 1995.
    Die kommunale und regionale Verwaltung wird im französischen Mutterland von circa 36 400 Gemeinden, 3 714 Kantonen, 325 Arrondissements, 96 Departements und 22 Regionen getragen. Seit der Reform von 1982 haben die Regionen eine größere Autonomie erhalten, sie besitzen aber keine Weisungsbefugnisse gegenüber den Gemeinden und Departements. Auch wenn ihre politischen Organe direkt vom Volk gewählt werden, spielen sie keine so große Rolle wie in Deutschland. Die Préfets (die
Vertreter des Staates in den Departements und in den Regionen) haben Macht verloren, sie koordinieren aber weiter die Arbeit aller nachgeordneten Behörden. Weniger Gemeinden und Regionen wären notwendig, damit sich diese besser in der EU durchsetzen könnten.
    Die französischen Parteien sind zersplittert und wechseln oft ihre Namen. Auf der rechten Seite haben die Neogaullisten ( Rassemblement pour la République) ihre frühere Stärke verloren (Wahlen 1997: 16,8 Prozent). Mit den Liberalen (1997: 14,7 Prozent) bilden sie seit 1998 eine Sammlungsbewegung (Alliance pour la France), welche die Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Front National (1997: 15,1 Prozent) ablehnt. Dessen Spaltung Ende 1998 brachte keine neue Perspektiven in die Parteienlandschaft. Links bilden die Sozialisten (1997: 25,5 Prozent) die stärkste Partei, weit vor den Kommunisten (1997: 9,9 Prozent) und den Grünen (1997: 3,6 Prozent).
    Am 21. April und am 5. Mai 2002 fand die Wahl zum Präsidenten der Republik statt. Das Endergebnis war sehr überraschend, da der amtierende

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