Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
»Nördlichen Dimension« der Union ist besonders im Interesse Finnlands gelegen. Trotz seiner militärischen Allianzfreiheit hat
Finnland sich auch für die Schaffung einer Verteidigungsdimension der Europäischen Union eingesetzt, die während der finnischen Ratspräsidentschaft 1999 auf einen guten Weg gebracht worden war.
2. Die aktuelle Lage in Finnland
Wirtschaftlich geht es Finnland zu Beginn des 21. Jahrhunderts besser denn je. Und dies trotz der Tatsache, dass die Rezession der 1990er Jahre zu einem dramatisch niedrigen Bruttoinlandsprodukt (BIP) führte, was in Verbindung mit der Massenarbeitslosigkeit gleichzeitig die Staatsfinanzen empfindlich schmälerte. Nachdem Finnland in den letzten sieben Jahren einen rapiden wirtschaftlichen Aufschwung verzeichnen konnte, stieg das reale BIP zwischen 1995 und 2001 um fast 1 Prozent im Jahr auf etwa 27 000 Euro pro Kopf. Finnland rangierte damit auf dem siebten Platz in der Union. 4
Nach dem »Global Competitiveness Report« des Schweizer Weltwirtschaftsforums ist Finnland derzeit die wettbewerbsfähigste Wirtschaft der Welt. Finnlands Wirtschaft weist jedoch zwei strukturelle Schwächen auf, die in Zukunft das Wachstum gefährden können: die ausgeprägte Abhängigkeit von Exporten und der überproportional große Anteil besonders einer Firma daran, nämlich Nokia, sowie die hohe Arbeitslosigkeit – im Februar 2003 lag die Quote bei 9,0 Prozent.
Seit dem Ende des Kalten Krieges gibt es in Finnland drei mehr oder weniger gleich starke Parteien: die Sozialdemokraten, die Agrarische Zentrumspartei und die Konservative Nationale Koalitionspartei. Traditionell traten die Konservativen und zum großen Teil auch die Sozialdemokraten für eine westliche Orientierung Finnlands ein. Trotz ihrer größeren Skepsis gegenüber der europäischen Integration war es jedoch die von der Zentrumspartei geführte Regierung von Esko Aho (1991 – 1995), die die entscheidenden Beschlüsse über Finnlands Beitritt zur Europäischen Union traf. Im Jahre 1995 gewannen die Sozialdemokraten die Parlamentswahlen und bildeten eine Regierungskoalition auf einer außergewöhnlich breiten Basis, so dass fast ausschließlich die Zentrumspartei in der Opposition verblieb. Paavo Lipponens »Regenbogen-Koalition« verband die Sozialdemokraten, die Konservativen, die Grünen, die Schwedische Volkspartei und sogar die linke Allianz.
Die Parlamentswahlen 1999 bestätigten diese politische Konstellation für eine weitere Legislaturperiode und Lipponen blieb Premierminister. Bei der Parlamentswahl von 2003 wurde jedoch die Zentrumspartei die stärkste politische
Kraft in Finnland. Sie bildete mit den Sozialdemokraten eine Regierung, mit den Konservativen in der Opposition. Finnlands erste weibliche Ministerpräsidentin, Anneli Jäätteenmäki, scheiterte jedoch nach zwei Monaten wegen einer Vertrauenskrise, weil sie angeblich geheime Information betreffend Finnlands Positionierung im Irak-Krieg während des Wahlkampfs in der Öffentlichkeit benutzt hatte. Ihr Rücktritt führte jedoch nicht zu einem Scheitern der Koalition, vielmehr wurde der Verteidigungsminister und Vize-Vorsitzende der Partei, Matti Vanhanen, neuer Regierungschef. Lipponen blieb – trotz seiner Position als Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei – Parlamentspräsident.
In Finnland hat der Präsident als Institution traditionell eine starke Position. Im Jahr 2000 wurde Tarja Halonen zur ersten Präsidentin Finnlands gewählt. Zur gleichen Zeit trat aber auch eine neue Verfassung in Kraft. Diese neue finnische Verfassung sieht vor, die Entscheidungen des Präsidenten an parlamentarisch gesteuerte Entscheidungsprozesse zu binden. Obwohl der Präsident in der Außenpolitik weiterhin federführend bleibt, hat die neue Verfassung seine Befugnisse eingeschränkt und eine duale Führungsstruktur geschaffen: Die traditionell bilaterale Außenpolitik Finnlands bleibt Domäne des Präsidenten, während die Europapolitik der Regierung obliegt. 5
Doch weil der Präsident weiter für die Außen- und Sicherheitspolitik zuständig bleibt, führte die Frage, wer das Land bei Sitzungen des Europäischen Rates vertreten soll, zu Spannungen. 1994 einigte man sich auf eine Politik der »zwei Gedecke«: Sowohl der Präsident als auch der Premierminister können an EU-Gipfeltreffen teilnehmen, wenn der Präsident dies wünscht.
Während seiner achtjährigen Amtszeit gestaltete Premierminister Lipponen die finnische Europapolitik mit und
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