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Europa-Handbuch - Europa-Handbuch

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Titel: Europa-Handbuch - Europa-Handbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Weidenfeld
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Rechtsverletzungen, was die Notwendigkeit für den Gesetzgeber aufzeigt, ein flexibleres vorbeugendes Rechtssystem einzuführen. Auf diese Weise, und dies ist ein Beispiel
unter vielen, könnte man die Ineffizienz von Urteilen verhindern. Zwei Jahre nach den entsprechenden Vorfällen wurde die Forderung der Gewerkschaften anerkannt, die ein von der Regierung verordnetes Dekret über Mindestleistungen bei Streikaufruf angefochten hatten. Auch ist ein notorisches Defizit des demokratischen Systems nicht verwunderlich, das die mangelnde Qualität – mit der einen oder anderen Ausnahme – des Rechtes betrifft, Informationen über die audiovisuellen Medien der Öffentlichkeit weiterzuleiten. Mit wenigen Ausnahmen betrifft dies auch den privaten Bereich. Das Gesetz 4/1980, das die Leitung der öffentlichen Programme in Radio und Fernsehen regelt bewirkte, dass sich die Informationspolitik in ein Ubertragungsmedium der Parteien verwandelte, die die Mehrheit in den Cortes Generales oder in den Parlamenten der Autonomiegebiete inne haben. Die Informationen sind mit den Prinzipien der Objektivität, Wahrheit und des Pluralismus nur unzureichend konform und erfolgen mehr oder weniger subtil oder trickreich zu Gunsten politischer Splittergruppen. Dies erfordert insbesondere im staatlichen Bereich die Einführung von Kontrollmöglichkeiten durch von den Aktivitäten der Medien unabhängige Behörden – und deren Anpassung an die Verfassung und das europäische Recht.
    Ein weiteres heikles Thema bezieht sich auf die rechtliche Handhabung der Einwanderung. Die Ausländergesetze stammten aus den 1980er Jahren und entsprachen einer polizeilichen Logik. Das Verfassungsgericht korrigierte sie im Hinblick auf die vorsorgliche Kontrolle in der Ausübung dieser Rechte. In jüngerer Zeit ergeben sich jedoch ernste Probleme hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der durch das Gesetz 4/2000 eingeleiteten Reform. Die Ausübung einiger Grundrechte (Versammlung, Vereinigung, Gewerkschaftsfreiheit, usw.) wurde erneut vom behördlichen Status des legalen Einwohners abhängig gemacht. Selbstverständlich bedeutet die neue Gesetzgebung, die zweifelsohne der schlimmen Lage im Baskenland begegnen soll, ein ernstes Problem hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit, denn sie schreibt – obwohl es sich nicht um eine Strafgesetzgebung handelt – die Auflösung einer politischen Partei vor. Schließlich bleibt eine weitere Kontroverse. Gelegentlich wurde die Ausübung der ordentlichen Gerichtsbarkeit bei Verfassungsbeschwerden diskutiert. Daraus darf man nicht auf eine Schwächung oder sogar Neutralität des Verfassungsgerichtes schließen, das als oberstes Gericht für die Sicherstellung bzw. Garantie der Grundrechte zuständig ist. So stellt die Verfassung klar, dass dem Verfassungsgericht die allerletzte Entscheidung als oberste Instanz obliegt.
    Die territoriale Aufteilung der politischen Macht ist zu einem Dreh- und Angelpunkt des spanischen Verfassungssystems geworden. Der Staat der Autonomien, heute eine interessante Realität, ist komplex und irreversibel.
Sein Interesse gründet in der Etablierung eines komplexen Staatsgebildes, das die politische Autonomie der Nationalitäten und Regionen in einem sozialen und politischen Kontext anerkennt. Seine unmittelbare Vorstufe war der Zentralismus der Francodiktatur, was nichts anderes bedeutete als den Ausdruck einer durchgängigen Linie im Gestaltungsprozess des modernen Spaniens, mit Ausnahme des kurzen Zeitraums des Staates der II. Republik.
    Die Komplexität ergibt sich aus der Schwierigkeit, die politische Dezentralisierung auf allen Ebenen juristisch nachzuvollziehen und die Vielfältigkeit in einem Staat wie Spanien zu fördern, wo die Institutionalisierung der Staatsmacht sowie eine Kultur der Uniformität trotz der Heterogenität der nationalen Zusammensetzung historisch die Regel waren. Die Unumkehrbarkeit dieses Staatsgebildes ist die Konsequenz einer historischen Dynamik, die nun keinen Schritt zurück zulässt: Was im Prinzip ein Verfassungsentwurf war, der vor allem darauf ausgerichtet war, die Eingliederung des Baskenlandes und Kataloniens in ein demokratisches Spanien zu ermöglichen, wurde mit der Zeit zu einer fest verankerten politischen Realität allgemeinen Charakters. Dem ist lediglich der unterscheidende Faktor, die schreckliche, dramatische und absurde Situation in Euskadi , trotz der weitreichenden, in der Verfassung und dem Gesetz von Gernika zugebilligten Selbstverwaltung

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