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Europa-Handbuch - Europa-Handbuch

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Titel: Europa-Handbuch - Europa-Handbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Weidenfeld
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als territoriale Vertretungskammer. Diese Anpassung ist eine logische Konsequenz der politischen Dezentralisierung, wie sie durch die Verfassung geplant war. Doch ihr Ausbleiben nahm dem Oberhaus jede Möglichkeit, sich wirkungsvoll Gehör zu verschaffen. Damit der Autonomiestaat sich dennoch konsolidieren kann, ist es nicht nur hinsichtlich der dezentralisierten Behörden, sondern auf allen Ebenen der öffentlichen Ordnung erforderlich, dass die Zusammensetzung und das Funktionieren seiner zentralen Organe dem Wesen eines komplexen Staates entsprechen. Aber es ist vor allem die Stellung des Senats entscheidend, um die Autonomen Regionen anstelle der Provinzen zur wichtigsten staatstragenden Einheit zu machen. Von entscheidender Bedeutung ist außerdem, dass die nationale Pluralität, wie sie sich aus der Geschichte und der aktuellen Realität Spaniens ergibt, sich auch in den Aktivitäten des Oberhauses widerspiegelt.
    Die Staatgewalten bildeten sich seit der unbestrittenen verfassungsmäßigen Vorrangstellung der Regierung zum Nachteil einer zentralen Stellung des Parlamentes heraus, wie es Manzella theoretisch darstellt. Dies strebte die politische Linke während der ersten Schritte des Übergangs an. Das ist nichts Neues: Generell war dies die Situation im europäischen Konstitutionalismus nach 1945, mit Ausnahme der IV. Republik in Frankreich. Die Haushaltsinitiative liegt als Monopol in Händen der Regierung. Die Schwäche der parlamentarischen Kontrollinstrumente bewirkt, dass das Parlament im Institutionengefüge in der zweiten Reihe steht. Die Kontrollfunktion gegenüber der Regierung über Parlamentsbeschlüsse lässt der Exekutive großen Spielraum. Auch die Opposition ist hier keine Hilfe. In der politischen Kultur Spaniens ist die Meinung vorherrschend, die Opposition sei eher eine störende Kraft, die es auszuhalten und zu bekämpfen gilt. Sie wird im demokratischen System nicht um ihrer selbst willen geschätzt.
    Die Judikative erlebte im Lauf der Jahre eine Erneuerung ihrer Mitglieder, was die Übernahme einer verfassungsmäßigen Rechtskultur sowie eine vermehrte Umsetzung demokratischer Werte begünstigte. Trotzdem erscheinen die Kriterien für die Wahl der Mehrheit der Richter eher aus den Zeiten vor der Verfassungsgebung. Dabei wird in höherem Maße das Wissen um die Gesetzestexte bewertet und nicht die Fähigkeit, gemäß der juristischen Logik zu urteilen. Zudem ist der Oberste Gerichtshof theoretisch das höchste Organ in Sachen Rechtsprechung, mit Ausnahme der
verfassungsgemäßen Garantien, die vor dem Verfassungsgericht verhandelt werden. Tatsächlich besteht er aus mehreren obersten Gerichtshöfen, was seine Position als theoretischer Richtungsgeber sowie den Wert seiner Rechtsprechung schwächt. Der Consejo General del Poder Judicial (Organisation zur Ernennung und Beförderung von Richtern, wörtlich übersetzt: Generalrat der richterlichen Gewalt) hat als eine Art Regierungsorgan die Aufsicht über die Richter.
    Das Verfassungsgericht ist das entscheidende Organ zur Sicherung der Anwendung des Grundgesetzes. Dies gilt sowohl für die Garantie der Grundrechte, als auch für die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen dem Staat und den Autonomen Regionen sowie die Konflikte zwischen den Staatsorganen. Wenn man nun den gegenwärtigen Konflikt zwischen dem Obersten Gerichtshof und dem baskischen Parlament betrachtet, der mit den derzeitig verfügbaren gesetzlichen Mitteln nicht beigelegt werden kann, dann ist eine Gesetzesreform mehr als notwendig, um Fällen wie diesen vorzubeugen.
    Eines der Risiken der verfassungsmäßigen Rechtsprechung ist, dass sie sich oft politischen Kriterien unterordnen muss, was leider in jüngster Zeit häufig vorkam, wie man den unvorsichtigen politischen Erklärungen des Präsidenten des Verfassungsgerichtes, Manuel Jimenez de Parga, entnehmen kann. Schließlich darf man in diesem Zusammenhang die Funktion des Königs als Repräsentant des Staates nicht vergessen. Gemäß der spanischen Verfassung erfordert diese Rolle eine Loslösung von der politischen Debatte. So erscheint vor diesem Hintergrund sein kürzlich gehaltener Vortrag ziemlich unverständlich, in dem er sich mit dem Spanischen als der landesweiten Sprache beschäftigte, die den autonomen Gebieten angeblich nie aufgezwungen worden sei. Dabei hatte die kulturelle Unterdrückung während der Franco-Ära beinahe zu einem Aussterben der anderen in Spanien gesprochenen Sprachen, wie dem Katalanischen,

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