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Europa-Handbuch - Europa-Handbuch

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Titel: Europa-Handbuch - Europa-Handbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Weidenfeld
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fanden in Spanien Parlamentswahlen statt. Dabei haben die Sozialisten unter Jose Luis Rodriguez Zapateros die bisher regierenden Konservativen (PP) von Aznar abgelöst, die – obwohl sie lange als die Favoriten galten – eine empfindliche Niederlage erlitten. Einfluss auf dieses Wahlergebnis dürften die verheerenden terroristischen Anschläge von Madrid vom 11. März 2004 gehabt haben. Bei dieser schlimmsten Anschlagsserie in Spanien kamen 190 Menschen ums Leben, 1800 wurden verletzt, als im morgendlichen Berufsverkehr fast zeitgleich zehn Bomben in voll besetzten Pendlerzügen explodierten. Weitere Bomben, die offensichtlich die Helfer treffen sollten, konnten rechtzeitig entschärft werden. Aznar hatte zunächst die baskische Separatistenorganisation ETA für die Anschläge verantwortlich gemacht, doch schon bald mehrten sich die Hinweise auf einen Terrorakt der Al Qaida, offenbar als Reaktion auf die spanische Unterstützung des Irak-Krieges.
    Offenbar haben die spanischen Wähler Aznar in den Parlamentswahlen 2004 für zwei Dinge bestraft: für seinen Eintritt in den Irak-Krieg, trotz der starken Gegnerschaft der Bevölkerung, und für die Informationspolitik nach diesen Anschlägen von Madrid. Die konservative PP erreichte mit ihrem Spitzenkandidaten Mariano Rajoy, der Aznar als Ministerpräsident ablösen sollte, nur noch 38 Prozent der Stimmen, die Sozialistischen PSOE rund 43 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag mit 77,4 Prozent sehr hoch, was dem Sozialisten zugute kam, die jedoch nicht auf eine absolute Mehrheit kommen. Drittstärkste Kraft ist mit 3,2 Prozent die CiU (katalanische Nationalisten).
4. Ausblick
    Die Zukunftsperspektiven aus der aktuellen politischen und institutionellen Realität Spaniens sind eng mit einer möglichen Verfassungsreform verknüpft. Es handelt sich um Maßnahmen und Verbesserungen im Bereich der Selbstregierung, die vor allem im Baskenland und in Katalonien in den letzten Jahren angegangen wurden. Die einzige juristische Möglichkeit, um
das Projekt Ibarretxe zum Erfolg zu führen, ist die Verfassungsreform. Die politischen Optionen für die Durchführung der Reform sind derzeit jedoch mehr als gering. Im Gegenteil, in Katalonien wird die Verfassungsänderung nicht als erste Option dargestellt, vielmehr strebt die Mehrheit der politischen Parteien lediglich die Revision des Autonomiestatuts an. Sollte künftig die Europäische Verfassung in Kraft treten, so werden zweifelsohne Stimmen laut werden, die Änderungen der spanischen Verfassung fordern werden, damit das europäische Recht überhaupt über die staatliche Rechtsordnung gestellt werden kann. Das Scheitern der Referenden in Frankreich und den Niederlanden hat die Ratifizierung der Europäischen Verfassung verschoben.
    Im Bereich der Wirtschaftspolitik kann die erreichte makroökonomische Stabilität mit einem Jahreswachstum von 2 Prozent im Jahr 2002 nicht über eine andere keinesfalls positive Tatsache hinwegtäuschen. Mit einer Arbeitslosenrate von 11,4 Prozent in der erwerbsfähigen Bevölkerung hält Spanien einen der höchsten Prozentsätze unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die liberale Politik des Wirtschaftsministers Rodrigo Rato konnte weder diesen Prozentsatz verringern, noch die andauernde gespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt mildern.
    Schließlich stellt die steigende Zunahme der Einwanderung nach Spanien aus den Maghreb-Ländern, Afrika südlich der Sahara, Lateinamerika und Osteuropa weiterhin eine Herausforderung an die soziale Integration in einem Land ohne Zuwanderungstradition dar. Die Wurzeln des Rassismus und der ethnischen Ablehnung sind noch nicht aufgebrochen, doch sie existieren im Verborgenen, vor allem, wenn es um Arbeitsplätze geht. Zum anderen sind die Ausländergesetze der Regierung besonders restriktiv. So werden beispielsweise das Recht auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, der Gewerkschaftsbeitritt und der Streik im Falle von Zuwanderern ohne Aufenthaltsgenehmigung als verfassungswidrig eingestuft. Das Verfassungsgericht muss in nächster Zeit über Beschwerden gegen das Ausländergesetz urteilen.
     
    Anmerkung
     
    Übersetzt aus dem Spanischen von Lisa’s Office, München.

     
    Weiterführende Literatur
     
    Anuario EL PAIS 2002, Madrid 2003. ☐ L’Etat Du Monde 2003 (Annuaire économique, geopolitique mondiale). La Decouverte, Paris 2002, S. 492-497. ☐ L’Etat du Monde 2004. (Annuaire economique, geopolitique mondiale), La Decouverte, Paris 2003, S. 486-487.

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