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Europa-Handbuch - Europa-Handbuch

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Titel: Europa-Handbuch - Europa-Handbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Weidenfeld
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Jugoslawien – oder besser gesagt die »Staatliche Gemeinschaft Serbien und Montenegro« – und Mazedonien. Diese können die künftige Mitgliedschaft der Türkei als eine Herausforderung betrachten, und zwar nicht nur wegen des spezifischen historischen Kontextes, sondern vor allem wegen der »Aufweichung« der kulturellen Kriterien. Bei Diskussionen mit der Europäischen Union könnte dies zum Teil die politischen Argumente (christliche Verwurzelung) dieser Länder nichtig machen und somit ihre Verhandlungsposition schwächen. Allerdings bot die Europäische Union allen Balkanländern einen besonderen Integrationsweg in Gestalt von Verträgen über die Assoziierung und Stabilität an. Diese Verträge sehen die Möglichkeit eines Beitrittes in absehbarer Zeit vor. In den Diskussionen der letzten Monate nimmt diese Perspektive konkrete Gestalt an: Mit Kroatien wurden im Oktober 2005 Beitrittsverhandlungen aufgenommen, Mazedonien wurde im Dezember 2005 der Status eines Beitrittskandidaten verliehen.
    Der Fall Türkei wird nicht ohne Einfluss auf die Beziehungen der Europäischen Union zu einer anderen Gruppe potenzieller Mitgliedskandidaten,
den kaukasischen Ländern Georgien, Armenien und Aserbaidschan, bleiben. Diese Länder stellen ein typisches Beispiel für Gebiete dar, die im kulturellen Sinne am Rande Europas gelegen sind. Das gilt sowohl für die christlichen Länder Georgien und Armenien als auch für das islamische Aserbaidschan. Ähnlich wie im Falle der Länder des westlichen Balkans verhindert das niedrige Entwicklungsniveau der Wirtschaft eine baldige Perspektive der Integration in die Europäische Union. Dies entscheidet aber nicht über das Vorhandensein oder das Fehlen einer »europäischen Berufung«.
    Das Problem wird noch deutlicher im Falle der – geographisch gesehen – europäischen Staaten der ehemaligen UdSSR: Russland, Ukraine, Belarus und Moldowa. Die heutige Wirtschaftslage dieser Länder befreit uns nicht von der Pflicht, sich über deren künftige Rolle im Prozess der europäischen Integration Gedanken zu machen. Das wichtigste Dilemma, das die Ausarbeitung einer kohärenten Vision des Standortes Russlands im vereinigten Europa erschwert, bildet die Größe des Landes. Dabei geht es nicht nur um die Fläche und die Bevölkerungszahl. Im Falle Russlands findet das Gesetz über Große Zahlen Anwendung. Dies führt dazu, dass bei dem Versuch, die bestehenden Instrumente der Integrationspolitik anzuwenden, eine unvermeidliche Erschütterung des Gleichgewichtes zwischen dem Subjekt und dem Objekt der Integration erfolgen würde. Die Integration der restlichen Länder, der Ukraine, Belarus und Moldowas, wäre theoretisch möglich, aber in Anbetracht der recht engen politischen und wirtschaftlichen Bindungen an Russland schwer durchzuführen, ohne dabei das geopolitische Gleichgewicht des ganzen euro-asiatischen Raumes anzutasten. Jedenfalls wäre dabei eine gründliche Neudefinierung der Beziehungen zwischen der EU und Russland unabdingbar. Keines der erwähnten Dilemmata ist auf einfache Weise zu lösen.
    Die Frage nach den Integrationsgrenzen ist zugleich eine Frage nach der Gestalt der erweiterten Europäischen Union. Das Bemühen jedoch, die endgültigen Grenzen der Union zu bestimmen oder ihre definitive Form auszuarbeiten, wird zu einer unrealistischen Aufgabe. In einer globalen Wirtschaft und der globalen Politik ist es schwer, sich die Annahme einer institutionellen ultima ratio vorzustellen, die der Europäischen Union eine endgültige Gestalt verleihen und sie für die Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft vorbereiten würde.
    Die Folgen der Erweiterung der Europäischen Union sollten im Kontext der Fragen nach dem Stand der europäischen Solidarität und den Chancen der gemeinsam vorzunehmenden Bewältigung der vor uns stehenden Schwierigkeiten betrachtet werden. In Polen erwartet man, dass der Beitritt
neuer Länder zur Europäischen Union in absehbarer Zeit die Diskussion über die Zukunft der Union und deren effiziente Organisation bereichern wird. Gleichzeitig werden dadurch die Wohlstandsgebiete in Europa erweitert und die Zonen der Stabilität und Sicherheit noch stärker gefestigt.
    Speziell auf jene zehn Staaten, die mit dem 1. Mai 2004 die Mitgliedschaft der EU erlangt haben, bzw. jene, die diese voraussichtlich bis zum Ende der Dekade (Bulgarien und Rumänien) erlangen werden, wird eine besondere Aufgabe zukommen. All diese Staaten und Kandidaten (mit Ausnahme

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