Europa nach dem Fall
Währungsfonds ab, um sie aber bald darauf wieder aufzunehmen. Drei Monate später erhielt Ungarn ein Darlehen von 25 Milliarden Dollar. Obwohl seine internationale Kreditwürdigkeit herabgestuft wurde, sah der IWF 2010 einige ermutigende Signale, als ein leichtes Wachstum im Land festgestellt wurde.
Die wirtschaftliche Zukunft der Länder auf dem Balkan und im übrigen Osteuropa hing sehr stark vom Wohlbefinden der wichtigsten EU-Länder ab, mit denen sie Handel trieben. Es war geplant, dass Bulgarien 2013, Ungarn 2014 und Rumänien 2015 der Eurozone beitreten sollten. Doch angesichts der Lage in der Eurozone und in Osteuropa schien es alles andere als gesichert, dass sich dieser Zeitplan einhalten ließ. Die Folgen der großen Rezession werden noch längere Zeit zu spüren sein, und es wird sogar noch länger dauern, um sich ein vollständiges und realistisches Bild über die Ursachen und die Wirksamkeit der getroffenen Gegenmaßnahmen zu machen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint selbst eine Zwischenbilanz riskant. Wie Philip Stevens in der Financial Times schrieb, handelte es sich um das Ende des britischen (und französischen sowie europäischen) postimperialen Einflusses und gleichermaßen auch um das Ende einer auftrumpfenden Globalisierung und eines liberalen Internationalismus.
Anscheinend war der Euro gerettet. Ende 2010 hatte er sogar gegen den Dollar und den Yen so viel an Wert gewonnen, dass die Fähigkeit Europas, auf dem Weltmarkt zu konkurrieren, in Gefahr geraten war. Doch warum war er so stark gestiegen? Die ökonomischen Probleme wie die Krisen in Griechenland und Irland waren noch nicht vom Tisch. Die Schuldenkrise besteht weiterhin, ein Ende ist noch nicht in Sicht, denn die einzige Gewissheit besteht darin, dass Europa in absehbarer Zukunft ärmer sein wird.
Die Europäische Union war in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht sehr erfolgreich gewesen. In Ländern wie Frankreich und Spanien war die Arbeitslosigkeit (vor allem von Jugendlichen) schon vor der Krise hoch gewesen und blieb auch, nachdem die Krise offiziell für beendet erklärt wurde, bei über 10 Prozent. Warum war ein Land wie Polen davon weniger betroffen? Warum litten die osteuropäischen Länder (mit ein oder zwei Ausnahmen) weniger als die westeuropäischen, und warum erholten sich die Ersteren schneller? Warum bestand in Osteuropa eine größere Bereitschaft als im Westen, Einschnitte in Kauf zu nehmen? Warum kam die europäische Entscheidungsfindung so beklagenswert langsam und mühselig voran und was ließe sich daran ändern? In welchem Ausmaß wurden die Ursachen der Krise psychologisch durch eine Panik verstärkt?
An einem verregneten Dienstag, dem 16. November 2010, verkündete Herman Van Rompuy, der EU-Ratspräsident: »Wir stecken in einer Überlebenskrise«, und fügte hinzu, wenn der Euro nicht überlebte, dann würde es auch mit der EU vorbei sein. Drei Tage später, als er merkte, dass seine Erklärung sich nicht gut auswirkte, ruderte er zurück. Seine Worte seien falsch interpretiert worden, der Euro sei in sicheren Händen und das Wirtschaftswachstum in der Eurozone sei stärker als erwartet (eher 1,8 als 1 Prozent). Er kritisierte die Schwarzseher, welche die politische Entschlusskraft der Staatsführungen unterschätzten. Aber würden 1,8 Prozent ausreichen?
Im Mai 2010 richtete die EU den ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) ein, einen dauerhaften Rettungsschirm von 700 Milliarden Euro, um bei der unmittelbaren Krise Abhilfe zu schaffen, indem sie Mitgliedern in Liquiditätsschwierigkeiten direkte Darlehen gab. Aber reichte dies aus und kam es noch rechtzeitig? Die übergreifenden Probleme, die zur Schuldenkrise geführt hatten, waren nicht gelöst worden. Bedeutete dies nicht, dass die Steuerzahler die großen Banken in ganz Europa würden entschädigen müssen, die so dumm und verantwortungslos gehandelt hatten? Solche Maßnahmen erzeugten heftigen Widerstand in denjenigen europäischen Ländern, die für die Mittel aufkommen mussten. Beinahe überall erlitten die herrschenden proeuropäischen Parteien bei Wahlen Verluste.
Endgültige Antworten auf diese und andere Fragen werden sich so bald nicht ergeben.
Die politischen Auswirkungen
Krisen, sagte Jean Monnet einmal, schweißen stärker zusammen. Die große Rezession hätte der Bewegung für ein geeintes Europa frischen und kraftvollen Schwung geben können. Das war aber nicht geschehen, zumindest nicht kurzfristig. Sie wirkte sich
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