Europe Central
in einem der vielen Krater mit weißen Rändern, den ihre Bomben hinterlassen hatten, und marschierte dann unbeirrt weiter; mein Psychotherapeut wäre stolz auf mich gewesen, von Feldwebel Gunther ganz zu schweigen. Danach wollte ein sprechender Schädel in einem Bunker mir etwas erzählen oder geben, aber ehrlich gesagt, ich wollte gerade nicht erleuchtet werden. Ein Rabe krächzte mir zu: Bring den Schatten zurück zu den Deutschen! Ich schoss auf ihn und traf nicht.
Ein feindlicher Panzerwagen! Jetzt wurde es ernst. Aber ich konnte ihn umgehen; auch den Hexen in den Sonnenblumenfeldern entkam ich. Ich brach durch einen kaputten Bretterzaun, das Gewehr hoch in die Luft gereckt, und lief über ein brennendes Feld, auf dem zerstörte
Panzer wuchsen, einem Ziel zu, das ganz von Rauch verhangen war. Meine Angst war so groß, dass ich mich nicht einmal fürchtete.
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Nach langer Zeit erblickte ich ein Licht am Horizont, ein höllisch vertrautes Licht, aber nicht von Leuchtspurgeschossen oder Explosionen; als ich näher kam, sah ich: Es war Metall; genauer gesagt, eine Wand aus Metallplatten – Lukendeckel, Schilde oder die Verkleidung von Schlachtschiffen. Und diese Wand war blankpoliert und strahlte wie Feuer.
Nun, ich war Telefonist; mir konnte niemand etwas vormachen; ich kannte diese Art Signal. Ich hatte es vielleicht noch nicht selbst gesehen, aber davon gelesen. Auf der anderen Seite lag eine schlafende Walküre. Ich musste sie nur enthelmen und … Aber wozu die Mühe? Irgendwann fliegt einem jede Walküre davon, selbst wenn sie einem sieben Jahre lang ein treusorgendes Weib gewesen ist. Sie lechzt nach Krieg. Selbst wenn ich wüsste, wie ich Geschmeide für sie fertigen könnte, sie würde mich verlassen. Sie verlassen mich immer, weil ich nur ein Telefonist bin.
Während ich angestrengt versuchte, mich zu etwas zu verschlüsseln, packte mich eine Vorahnung. Ich konnte die Finger ihrer Aufklärungskobolde in meinem Nacken geradezu spüren. Jetzt empfing ich Funksignale aus einer nahen Höhle voller Ungeheuer! Da kam schon das erste, ein T-34, die beiden runden Lukendeckel senkrecht geöffnet, wie erstaunte Krebsaugen. Und ich wusste, in der Schaltstelle Europa erwartete man von mir, dass ich diesen T-34 trotzte, um die Goldene Prinzessin zu erringen, und ich hatte sogar eine Idee, wie ich das bewerkstelligen könnte (erst den Befehlspanzer abschießen, den mit Sender; die anderen Panzer können nur empfangen), aber hatte ich nicht schon genug geleistet?
24 Also lief ich weiter, der Wand entgegen, die immer heller leuchtete, wie ein schneebedeckter Berg. In Wahrheit lief ich vor den T-34 davon, aber wenn du einer Bedrohung ausweichst und dich dabei in eine andere begibst, hält die Welt dich für tapfer.
Ach, ganz eisig wurde es rund um mich herum! Wieder verfolgte mich dieser Panzerwagen, aber er kam auf dem Eis ins Rutschen und überschlug sich. Das Letzte, was ich von ihm sah, war, wie er auf dem
Rücken lag und sich immerzu drehte, bis ein großer stählerner Adler mit Jupiterlampen als Augen herabgeschossen kam und ihn davontrug. Und was war jetzt mit diesen T-34? Lieber nicht hinschauen!
Und wie das Licht seines blassen, sanften und traurigen Himmels, so leuchtet über uns allen Russlands weise und ruhige Schönheit, der nichts etwas anhaben kann. Auch mir leuchtet dieses Licht. So schrieb Stalins Tochter Swetlana. Sie meinte diese Wand.
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Würfel aus Beton, halb eingesunken in von Gefangenen aufgeschüttete Hügel aus Eis, boten mir ein zauberhaftes Versteck, als ich mich in Schlangenlinien vorarbeitete; ich wollte nicht der Feind auf freiem Felde sein und vom Genossen Bucharin enttarnt werden. Die Wand war inzwischen so gleißend hell, dass ich zum Sehen nicht länger die Augen öffnen musste. Endlich begriff ich, wie es einem als Schlafwandler zumute sein musste.
Die Wand wurde von einem Mann aus Stahl bewacht; er war so streng wie Generaloberst Hoth, den ich einmal gesehen hatte, vielleicht in der Front, vielleicht in der Signal ; soweit ich mich erinnere, blickte er durch einen stereoskopischen Sucher zu den Slawen hin, obwohl vermutlich keine Slawen in Sicht waren; genüsslich sah ich Rüdiger über dieses Farbfoto von Generaloberst Hoth, dem wir nie begegnet waren, den Kopf schütteln. Was diesen Mann aus Stahl anging, er erinnerte an einen teutonischen Ritter und hockte mit den Eisenhänden zwischen den Knien da; die Fesseln seiner stählernen Stiefel waren glitzernd gegliedert wie ein
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