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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Boden. Sie machte noch ein paar Schritte, wäre auf den glatten Steinen fast ausgerutscht, konnte aber noch immer waten. Endlich reichte ihr das Wasser über die Stiefel und ergoß sich eiskalt über ihre Füße. Trotzdem machte sie noch ein paar Schritte, bis sie bis über den Knien im Wasser stand, und ging dann wieder an Land. Sie packte ihn und fing an, ihn in die reißende Strömung hinauszuziehen, und schon bald schwamm er, und das Ziehen fiel ihr leichter. Sie ging weiter, bis die Strömung bedrohlich an ihren Oberschenkeln riß, und drehte ihn dann auf den Bauch. Das Wasser wiegte ihn noch einen Moment, dann riß es ihn mit. Die Strömung verhalf ihm zu einem guten Tempo. Sein Hinterkopf war ein heller Fleck im schwarzen Wasser. Eva stand fast bis zu den Hüften im Wasser und starrte ihm hinterher, stand da wie festgewachsen, und plötzlich passierte etwas Seltsames. Sein einer Fuß hob sich, sein Kopf verschwand unter Wasser. Er sah aus wie ein Taucher. Sie hörte durch das gleichmäßige Rauschen hindurch ein leichtes Plätschern, dann war er verschwunden. Sie starrte ihm weiterhin hinterher, rechnete mit seinem Auftauchen, aber der Fluß strömte dahin und verschwand in der Dunkelheit. Langsam watete sie an Land, drehte sich noch einmal um und starrte wieder in die Richtung, in der er verschwunden war. Dann ging sie zum Auto. Schloß vorsichtig die Motorhaube. Suchte Taschenlampe und Brieftasche, öffnete den Kofferraum. Darin herrschte peinliche Ordnung, sie entdeckte einen grünen Nylonoverall. Den zog sie an. Sie trug noch immer Handschuhe, hatte sie die ganze Zeit angehabt, jetzt setzte sie sich hinter das Lenkrad. Dann sprang sie wieder aus dem Wagen und suchte das Gras ab. Fand gleich vor dem Auto die Scheide und steckte sie in die Tasche. Zwei Autos fuhren oben auf der Straße vorbei, deshalb schaltete sie die Scheinwerfer noch nicht ein. Als alles wieder still war, fuhr sie langsam durch das Wäldchen. Sie drehte die Heizung voll auf und erreichte die Straße. Ihre Füße waren wie zwei Klumpen aus totem Fleisch. Vielleicht würden sie ihn finden, sobald es hell geworden war. Oder vielleicht, überlegte sie, war er irgendwo hängengeblieben und untergegangen. So hatte es ausgesehen. Als ob seine Jacke und vielleicht ein Arm an etwas festhingen, das vom Flußboden aus aufragte, zum Beispiel einem Baum, der umgestürzt und in den Fluß gefallen war, oder etwas anderem, egal was, und vielleicht blieb er dort liegen und wiegte sich in der Strömung, bis Wasser und Fische sein Skelett reingeleckt hatten. Das ist ein gutes Auto, dachte sie, und hielt auf die Stadt zu. Wenn ihr ein Auto entgegenkam, hielt sie den Atem an, als könnten die anderen ihr ansehen, was passiert war. Hinter der Brücke fuhr sie auf die Schnellstraße und fuhr in Richtung Hovland, zur Müllhalde. Dort wollte sie den Wagen abstellen. Sie würden ihn bald finden, vielleicht schon am nächsten Tag, nichts ließ sich für alle Ewigkeit verstecken. Aber dann würden sie die Müllhalde absuchen und Zeit vergeuden, würden den Müll durchkämmen. Und vielleicht nahm der Fluß ihn ja noch weit mit, vielleicht bis zum Meer, und dann trieb er irgendwo in einer anderen Stadt an Land, und dann würde wieder an der falschen Stelle gesucht werden, und die Zeit würde vergehen und sich wie grauer Staub über alles legen.
    ---
    S ejer erhob sich und trat ans Fenster.
    Es war spät in der Nacht. Er hielt Ausschau nach Sternen, konnte aber keine entdecken, der Himmel war zu hell. In dieser Jahreszeit stellte er sich oft vor, daß sie für immer verschwunden waren, weggegangen, um über einem anderen Planeten zu funkeln. Bei dieser Vorstellung wurde er traurig. Ohne Sterne hatte er nicht dieses Gefühl von Sicherheit, das Dach der Welt schien verschwunden zu sein. Der Himmel ging einfach endlos weiter.
    Er schüttelte den Kopf über diese Gedanken.
    Eva nahm die letzte Zigarette aus der Schachtel, sie wirkte gefaßt, fast erleichtert.
    »Wann haben Sie gewußt, daß ich es war?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Gar nicht. Ich dachte, Sie hätten vielleicht zu zweit gearbeitet, und Sie bekämen Geld dafür, daß Sie den Mund halten. Ich konnte wirklich nicht verstehen, was Sie von Einarsson wollten.« Noch immer starrte er aus dem Fenster.
    »Aber jetzt verstehe ich«, murmelte er.
    Ihr Gesicht war offen und ruhig, er hatte sie noch nie so gesehen, trotz der geschwollenen Lippe und der Schrammen am Kinn war sie schön.
    »Sie fanden vielleicht, daß

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