Evas Auge
wüßtest du wohl gern!«
Sie lag noch immer über der Motorhaube, er bewegte sich jetzt nicht mehr, er japste wie ein erschöpfter Hund und preßte sein Gesicht gegen den Motor.
»Ich kann das alles erklären«, würgte er. »Es war ein Unfall!«
»War es nicht!«
»Sie hatte ein Messer, verdammte Pest!«
Plötzlich bewegte er sich so heftig, daß die Motorhaube sich ein wenig öffnete, Eva rutschte ab und landete im Gras, hatte aber noch immer das Messer in der Hand, sie sah seine Fäuste, mit denen er Maja getötet hatte, sah, wie sie sich ballten.
»Das habe ich auch!«
Sie sprang auf und warf sich wieder über die Motorhaube, er sank in sich zusammen, der erste Stich traf ihn in die Seite, das Messer glitt leicht in ihn hinein, wie in frisches Brot. Er steckte unter der Motorhaube wie in einer Falle. Eva zog das Messer heraus, etwas Heißes strömte über ihre Handschuhe, aber er schrie nicht, er stieß nur ein leises, verwundertes Stöhnen aus. Er bewegte sich heftig und konnte einen Arm befreien, aber dann traf ihn der zweite Stich im Kreuz; Eva spürte, daß ihre Klinge auf Widerstand stieß, sie schien einen Knochen getroffen zu haben, sie mußte am Messer rütteln, um es wieder herausziehen zu können, und in diesem Moment ging er in die Knie. Er sank ein Stück nach unten, hing aber noch immer fest, und sie konnte einfach nicht aufhören, denn er bewegte sich noch, und dem mußte sie ein Ende machen, mußte ihn dazu bringen, mit diesem schrecklichen Gestöhne aufzuhören. Schließlich fand sie ihren Rhythmus, sie stach und stach, traf ihn im Rücken und zwischen den Rippen und ab und zu traf sie auch das Auto, die Kühlerattrappe, den Kotflügel, und endlich sah sie, daß er sich nicht mehr bewegte, sondern einfach nur noch im Auto hing, geschlachtet, wie ein Schweinerumpf an einem Haken.
Etwas Rauhes, Kaltes schien über Eva hereinzubrechen. Sie war vornüber gekippt und lag auf dem Bauch im Gras. Der Fluß strömte noch immer vorüber, vollständig unberührt. Alles war still. Voller Verwunderung merkte sie, wie sich in ihrem ganzen Körper eine Lähmung verbreitete, sie konnte keinen einzigen Muskel bewegen, nicht einmal die Finger. Sie hoffte, bald gefunden zu werden. Der Boden war eiskalt und naß, und schon bald fror sie entsetzlich.
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S ie hob den Kopf und starrte einen blauweißen hohen Turnschuh an, dann wanderte ihr Blick seine Wade hoch, und sie wunderte sich darüber, daß er nicht zu Boden gefallen war. Es sah blödsinnig aus. Als ob er beim Untersuchen des Motors eingeschlafen sei. Ansonsten war es seltsam, daß nichts passierte. Kein Mensch war herbeigestürzt, keine Sirene heulte. Sie war mit ihm allein, allein in der Dunkelheit.
Niemand hatte sie gesehen. Niemand wußte, wo sie waren, nicht einmal, daß sie zusammen waren.
Sie kam mühsam auf die Beine. Schwankte, merkte, daß sie triefnaß war. Vom Auto bis zum Fluß waren es vielleicht zehn, zwölf Meter, und besonders groß war er nicht, wog vielleicht siebzig Kilo. Sie selber wog sechzig, es müßte also möglich sein. Wenn er ein Stück weggetrieben wurde, ehe ihn jemand fand, in Richtung Stadt, und wenn sie sein Auto wegbrachte, würde niemand wissen, wo er ermordet worden war, und niemand würde die Spuren finden, die sie hier sicher hinterlassen hatte. Sie horchte ein Weilchen, wunderte sich darüber, daß sie so klar denken konnte, und ging zum Auto. Vorsichtig öffnete sie die Motorhaube und sicherte sie wieder. Er hing noch immer daran. Sie mußte ihn jetzt anfassen, seine glatte, blutverklebte Lederjacke. Automatisch versuchte sie, seinen Geruch zu ignorieren, packte seine Schultern und zog an ihm. Er kippte rückwärts und fiel wie ein Sack vor ihre Füße. Sie packte seine Füße. Jetzt lag er auf dem Rücken. Sie beugte sich über ihn, und dann kam ihr die Idee, die Brieftasche aus seiner Jacke zu nehmen. Als ob sie dann länger brauchen würden, um ihn zu identifizieren. Das war doch lachhaft! Sie packte ihn an den Schultern, drehte sich um, schaute zum Wasser hinunter und fing an zu ziehen. Er war schwerer, als sie erwartet hatte, aber das Gras war naß, und sie glitt ruckhaft mit gespreizten Beinen weiter. Sie zog zweimal an ihm und ruhte sich aus, zweimal, dann Ruhe, und langsam näherte sie sich dem Wasser. Dann blieb sie stehen, betrachtete seinen blaßblonden Schädel und machte weiter. Schließlich lag er mit dem Kopf am Wasser. Sie ließ ihn los und setzte vorsichtig einen Fuß in den Fluß. Seichter
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